Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 16.08.2001; Aktenzeichen 20 BV 10/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu Nr. 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.08.2001 – 20 BV 10/01 – dahin abgeändert, dass der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Beteiligten zu Nr. 3 auf 8.000,– DM festgesetzt wird.
Tatbestand
I.
Im Ausgangsbeschlussverfahren hat der Arbeitgeber (= Beteiligter zu Nr. 1)auf Zustimmung des Betriebsrats (= Beteiligter zu Nr. 2) zur Kündigung seines Mitglieds Franz-Josef D. angetragen. Das Verfahren hat sich nach außergerichtlicher Einigung zwischen den Arbeitsvertragsparteien durch Rücknahme des Antrags erledigt.
Auf den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats (= Beteiligte zu Nr. 3) hat das Arbeitsgericht den Wert des Gegenstandes ihrer anwaltlichen Tätigkeit auf 13.218,39 DM, das ist ein Vierteljahresverdienst des Herrn D., festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Arbeitsgebers, der meint, der Wert betrage 8.000,– DM.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO an sich statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie hat Erfolg.
1. Den Gegenstand der Bewertung (§ 7 Abs. 1 BRAGO) bildet in – wie vorliegend – zivilgerichtlichen Verfahren der Streitgegenstand der Ausgangssache. Das war das Gestaltungsbegehren des Arbeitgebers, die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Herrn D. zu ersetzen.
2. Der Maßstab für die Bewertung ist vorliegend der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 2 HS 2 BRAGO zu entnehmen. Hiernach beträgt der Gegenstandswert kraft normativer Festlegung 8.000,– DM. Eine Abweichung von diesem Wert in der einen oder anderen Richtung setzt Tatsachen voraus, die ihn als erkennbar unangemessen, mithin funktionswidrig, erscheinen lassen.Welche Umstände hierbei berücksichtigungsfähig und berücksichtigungsbedürftig sind, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Das ergibt sich aber mit hinreichender Sicherheit aus dem Zweck der Vorschrift. Sie will für ihren Funktionsbereich die Angemessenheit der (gesetzlichen) Vergütung des Rechtsanwalts im Gegenleistungsverhältnis des Dienstvertrages (vgl. § 612 Abs. 2 BGB) gewährleisten. Zu berücksichtigen sind mithin alle Umstände, die – außerhalb der einzelnen Gebührentatbestände im gerichtlichen Verfahren – für den „Wert” der Leistung des Rechtsanwalts bestimmend sind (siehe Bundesverfassungsgericht E 18, 103 [107] zu § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG; vgl. ferner § 30 Abs. 2 KostO, dem die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 2 HS 2 BRAGO nachgebildet ist). Demnach ist in erster Linie auf die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache abzustellen, denn sie sind es, die die Arbeit des Rechtsanwalts nach Dauer und Intensität zuvörderst bestimmen. Sodann ist das Interesse des Auftraggebers (d. i. der Betriebsrat), in diesem Sinne die Bedeutung der Sache, zu berücksichtigen und sind sonstige im Einzelfall wertbildende Umstände ins Auge zu fassen.
Dagegen scheidet eine analoge Anwendung von § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG aus. Die Vorschrift kann auch sonst nicht zur Ermessenskonkretisierung dienlich gemacht werden. Hierfür gibt es keinen diskussionsfähigen methodischen Ansatz.
Für eine Analogie fehlt es bereits an der Ausgangsvoraussetzung des Bestehens einer Regelungslücke. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 2 HS 2 BRAGO regelt die Wertbemessung für alle nicht vermögensrechtlichen Gegenstände eines gerichtlichen Verfahrens, für die es – wegen sachlicher Gebührenfreiheit – an Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren fehlt. Überdies ist die Vorschrift des Arbeitsgerichtsgesetzes im hiesigen Zusammenhang nicht analogiefähig. Ausgangspunkt ist insoweit (gemäß § 12 Abs. 1 GKG) die Bestimmung des § 3 ZPO.
Maßgebend ist danach das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewertende sogenannte Angreiferinteresse. Aus Gründen des Sozialschutzes für rechtsuchende Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber (unter anderem) dem Ermessen des § 3 ZPO in § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG (allein) für die dort bezeichneten Rechtsstreitigkeiten eine Obergrenze gezogen, bildhaft gesprochen, der Regelung der Zivilprozessordnung „einen Deckel” aufgesetzt. Das Beschlussverfahren hat er zwar frei von Gerichtskosten gestaltet (§ 12 Abs. 5 ArbGG), eine die Anwaltsgebühren betreffende einschränkende Sonderregelung ist jedoch, anders als in § 8 Abs. 2 Satz 3 BRAGO, nicht getroffen. Der Gesetzgeber hat es bei dem Höchstwert von 1 Million DM belassen. Zudem kann nicht von einer Vergleichbarkeit gesprochen werden. Dies zunächst deshalb, weil es im Wertfestsetzungsverfahren nach § 25 GKG um die Grundlage für die Bemessung der staatlichen Gebühren geht, die im Wege der Wirkungserstreckung auf die Bemessung der gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts erweitert wird. Demgegenüber betrifft das Verfahren nach § 10 BRAGO allein den Gegenleistungsanspruch des Rechtsanwalts im Dienstvertragsverhältnis nach § 611 BGB. Zum andern betrifft die Regelung des Arbeitsgerichts...