Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtsweg für Rückforderungsklage des Insolvenzverwalters wegen unentgeltlich erbrachter Leistungen der Insolvenzschuldnerin aufgrund eines nur zum Schein abgeschlossenen Anstellungsvertrages
Leitsatz (redaktionell)
1. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG begründet eine umfassende Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für individualrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis; dazu zählen insbesondere auch Rückzahlungsansprüche auf geleistete Vergütung.
2. Das Merkmal "aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a ArbGG ist weit auszulegen; mit dem Arbeitsgerichtsgesetz sollen alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen erfasst werden.
3. Das Vorliegen einer Streitigkeit "aus dem Arbeitsverhältnis" setzt keinen wirksamen Arbeitsvertrag voraus; eine Streitigkeit "aus dem Arbeitsverhältnis" kann auch bei Nichtigkeit des abgeschlossenen Arbeitsvertrages vorliegen.
4. Für die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer der Schuldnerin auf Rückgewähr einer von der Schuldnerin geleisteten Vergütung nach § 143 Abs. 1 InsO ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben; der Insolvenzverwalter ist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.
5. Macht der Kläger als Insolvenzverwalter (der Arbeitgeberin) gegen den Beklagten (Arbeitnehmer) die Rückerstattung einer Zahlung der Insolvenzschuldnerin geltend, die als Vergütung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für bestimmte Monate bezeichnet wird, und haben der Beklagte und die Insolvenzschuldnerin tatsächlich einen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen, handelt es sich um eine "Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis", mit der die Rückzahlung von Leistungen begehrt wird, die unter Bezugnahme auf einen Arbeitsvertrag erfolgt sind; ob dieser Arbeitsvertrag wirksam geschlossen und beiderseitig erfüllt wurde, ist keine Frage der Rechtswegzuständigkeit sondern im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu klären.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, b; InsO § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 23.04.2014; Aktenzeichen 3 Ca 242/14) |
ArbG Mannheim (Aktenzeichen 10 Ca 309/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 23. April 2014 (Az.: 10 Ca 309/13; jetzt: Arbeitsgericht Mannheim Az.: 3 Ca 242/14) abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.
- Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 400,00 festgesetzt.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen der T. B. A. GmbH (künftig: Insolvenzschuldnerin) vom Beklagten gemäß §§ 134 Abs. 1, 143 InsO die Rückerstattung an diesen unter Bezugnahme auf einen zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Arbeitsvertrag gezahlte Vergütung für die Monate April, Mai und Juli 2010.
Der Beklagte schloss mit der Insolvenzschuldnerin am 22. Februar 2010 einen schriftlichen Arbeitsvertrag über eine geringfügige Beschäftigung ab 1. April 2010 (vgl. Bl. 13 ff. d.A.). Danach sollte der Beklagte im Umfang von monatlich 32 Stunden als Mitarbeiter im Bereich Marketing tätig sein und dafür ein monatliches Arbeitsentgelt von EUR 400,00 brutto erhalten.
Am selben Tag schloss der Beklagte mit der T. C. M. GmbH einen schriftlichen Darlehensvertrag (vgl. Bl. 10 ff. d.A.), worin er sich verpflichtete, diesem Unternehmen ein Nachrangdarlehen in Höhe von EUR 10.000,00 nach Maßgabe bestimmter Darlehensbedingungen und eines Beteiligungsexposés zu gewähren. Der Beklagte stellte der T. C. M. GmbH diesen Betrag auch tatsächlich zur Verfügung.
Die Insolvenzschuldnerin zahlte an den Beklagten als Vergütung für das vereinbarte Arbeitsverhältnis am 28. April 2010, 28. Mai 2010 und 7. Juli 2010 jeweils EUR 400,00, insgesamt EUR 1.200,00.
Mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 1. Oktober 2010 (vgl. Bl. 7 d.A.) wurde über das Vermögen der Insolvenzschulderin an diesem Tag das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Mit Schreiben vom 9. Januar 2013 (vgl. Bl. 28 f. d.A.) verlangte der Kläger vom Beklagten erfolglos die Rückzahlung der an ihn geleisteten EUR 1.200,00, da keine Gegenleistung für diese Zahlung erfolgt sei.
Mit seiner am 23. Oktober 2013 beim Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin habe tatsächlich kein Arbeitsverhältnis bestanden. Der Arbeitsvertrag sei nur zum Schein als Gegenleistung für das Darlehen abgeschlossen worden. Wie von vornherein beabsichtigt, habe der Beklagte keinerlei Arbeitsleistung erbracht und die Zahlung ausschließlich aufgrund der Gewährung...