Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert für Beendigungsvergleich bei Aufeinandertreffen eines Antrags auf Zwischenzeugnis und eines im Verhältnis zum Bestandsschutzantrag hilfsweise gestellten Beendigungszeugnisantrags. Vergleichsmehrwert bei Streitbeilegung durch Freistellungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses und ein im Verhältnis zum Bestandsschutzantag hilfsweise gestellter Antrag auf Erteilung eines Beendigungszeugnisses können nur nebeneinander bestehen, wenn - über den Zwischenzeugnisantrag ausnahmsweise bereits vorab entschieden wird oder - zum Zeitpunkt der Entscheidung oder des Vergleichsabschlusses die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht eingetreten ist.

2. Im wohlverstandenen Interesse einer kostenbewusst handelnden Klagepartei erscheint es deshalb - bei Fehlen von Anhaltspunkten für das Gegenteil - sachgerecht, beim Aufeinandertreffen eines Zwischen- und eines im Verhältnis zum Bestandsschutzantrag hilfsweise gestellten Beendigungszeugnisantrags davon auszugehen, dass der Zwischenzeugnisantrag unter der (doppelten) innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag und des zum Zeitpunkt des Ergehens einer Entscheidung oder des Vergleichsabschlusses noch vorhandenen Regelungssubstrats (im Sinne eines gegenüber dem Beendigungszeugnis früheren Beurteilungszeitpunkts bezüglich des Zwischenzeugnisses und möglicher nachträglich eintretender Umstände für die Beurteilung) gestellt wird.

3. Soweit der Zwischenzeugnisantrag ausnahmsweise überhaupt zur Entscheidung anfällt oder mitverglichen wird, ist er auch zu bewerten und zu den Werten des Bestandsschutz- und des Beendigungszeugnisantrags hinzuzuaddieren, weil er mit dem Antrag auf Erteilung eines Beendigungszeugnisses nicht wertidentisch ist. Denn die Anträge auf Erteilung eines Zwischen- und eines Beendigungszeugnisses können im Ausnahmefall nebeneinander bestehen. Auch ist das Interesse nicht identisch. Denn das Zwischenzeugnis ist auf einen früheren Erteilungszeitpunkt gerichtet und muss auf den noch offenen Beendigungszeitpunkt gegenüber inhaltlichen Änderungen offen sein, während das Beendigungszeugnis (erst) auf die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen ist.

4. Hat sich der Arbeitgeber im Zuge des Ausspruchs einer Kündigung eines vom Arbeitnehmer bestrittenen Rechts zur Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist berühmt und legen die Parteien diesen Streit im Rahmen des Auflösungsvergleichs durch eine Freistellungsvereinbarung bei, rechtfertigt dies einen Vergleichsmehrwert in Höhe der Bewertung eines Beschäftigungsantrags - und nicht in Höhe der Vergütung während des Freistellungszeitraums oder eines Bruchteils hiervon.

 

Normenkette

GKG § 39 Abs. 1, § 42 Abs. 3 S. 1, § 45 Abs. 1 Sätze 2-3, Abs. 4, § 63 Abs. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 278 Abs. 6; BGB § 611 Abs. 1, §§ 630, 779; GewO § 109

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.08.2013; Aktenzeichen 12 Ca 1106/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 07.08.2013 - 12 Ca 1106/13 - abgeändert.

Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert wird auf 19.489,50 € festgesetzt. Der Vergleich hat einen Mehrwert in Höhe von 3.248,25 €.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.

Im Ausgangsverfahren wandte sich die am 08.11.1984 geborene, seit 01.01.2012 als Juniorreferentin Human Resources gegen eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.248,25 € bei der Beklagten, einem "führenden Fashion & Livestyle Unternehmen in Deutschland"(so die eigene Beschreibung der Beklagten) beschäftigte Klägerin gegen die ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 21.06.2013 zum 30.09.2013 (Antrag zu 1), begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (Antrag zu 2), ein qualifiziertes Zwischenzeugnis (Antrag zu 3), hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Bestandsschutzanträgen ein qualifiziertes Beendigungszeugnis (Antrag zu 4) sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Bestandsschutzanträgen die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtsstreits (Antrag zu 5).

Der Rechtsstreit endete durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 26.07.2013 (im Folgenden: "Vergleich" ≪Bl. 45-47 der Akte≫). Darin ist u.a. geregelt:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21.06.2013 mit Ablauf des 30.09.2013 ohne ein Verschulden der Parteien enden wird.

2. Die Klägerin bleibt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung bezahlt freigestellt. Die Freistellung erfolgt unwiderruflich unter Anrechnung des bestehenden und noch entstehenden etwaigen vollen Urlaubsanspruchs sowie anderweitiger Ansprü...

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