Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht zur Entsendung unternehmensfremder Mitglieder des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebes in den Gesamtbetriebsrat. Keine Erforderlichkeit des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit Trägerunternehmen im Sinne des § 47 Abs. 2 BetrVG. Alleiniges Entscheidungsrecht des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebes bei Entsendung der Personen in den Gesamtbetriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sowohl der Gesetzeswortlaut des § 47 Abs. 2 BetrVG, der Repräsentationsgedanke sowie die Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes sprechen dafür, dass auch unternehmensfremde Mitglieder des Betriebsrats eines Gemeinschaftsbetriebs in den Gesamtbetriebsrat eines Trägerunternehmens entsandt werden dürfen.

2. Es bedarf für eine wirksame Entsendung in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 BetrVG keines Arbeitsverhältnisses zum Trägerunternehmen.

 

Normenkette

BetrVG § 47 Abs. 2 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 31.07.2020; Aktenzeichen 1 BV 5/19)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 01.06.2022; Aktenzeichen 7 ABR 41/20)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 31.07.2020, Az: 1 BV 5/19, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit der Bildung eines Gesamtbetriebsrats bei der Beteiligten zu 2.

Der Antragsteller war ursprünglich der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs der d. GmbH + Co. KG (Beteiligte zu 2) und der d1 GmbH (Beteiligte zu 3) am Standort W.. Im Laufe des Verfahrens wurde dieser Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 2 und zu 3 gespalten. Der Antragsteller ist daher in der Beschwerde nur noch der Betriebsrat der Beteiligten zu 2 am Standort in W., der das Beschwerdeverfahren weiter betreibt.

Ein weiterer Gemeinschaftsbetrieb zwischen den Beteiligten zu 2 und 3 ist am Standort in W1 gebildet. Darüber hinaus besteht ein weiterer Gemeinschaftsbetrieb, der von den Beteiligten zu 2 und zu 3 sowie der d2 GmbH (Beteiligte zu 4) am Standort in K. (Zentrale) gebildet ist.

An allen vorbenannten Standorten der Gemeinschaftsbetriebe wurden Betriebsräte gewählt. An diesen Wahlen haben die Mitarbeiter der jeweiligen Trägerunternehmen teilgenommen.

Zudem wurde bei der Beteiligten zu 2 gemäß § 3 Abs. 1 BetrVG tarifvertraglich die Zusammenfassung der bundesweiten Filialbetriebe zu insgesamt sechs Regionalbetrieben geregelt. Aus den Betriebsräten der Gemeinschaftsbetriebe und der Regionalbetriebe wurde sodann ein Gesamtbetriebsrat bei der d. GmbH + Co. KG (Beteiligter zu 5) gebildet, zu dessen Vorsitzendem Herr J., ein Mitarbeiter der Beteiligten zu 3, gewählt wurde.

Der Beteiligte zu 5 schloss unter anderem mit den Beteiligten zu 2, zu 3 und zu 4 am 09. Juli/10. Juli 2013 eine Rahmenbetriebsvereinbarung "technische Einrichtungen" ab. Anlässlich der Einführung der Software Microsoft Office 365 kam es zu unterschiedlichen Auffassungen über die Zuständigkeit des Antragstellers und den Beteiligten zu 2 bis 5. Am 26. Mai 2020 fand erneut eine konstituierende Sitzung des Gesamtbetriebsrats der d. GmbH + Co. KG, dem Beteiligten zu 5, statt. Dabei wurde erneut Herr J. als Vorsitzender gewählt. In seiner ordentlichen Sitzung vom 30. Juni bis 01. Juli 2020 hat der Gesamtbetriebsrat folgende Beschlüsse mehrheitlich (neu) gefasst:

1. Unternehmensweite einheitliche Einführung Office 365 (mit Ausnahme der Tools Planer, Flow, StaffHub, Power Apps),

2. Unveränderter "Neu"-Abschluss der GBV "technische Einrichtung" vom 10.02.2013.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Bildung des Beteiligten zu 5 sei nichtig bzw. rechtsunwirksam, da es sich hierbei in Wirklichkeit um einen unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrat handele. Dies sei nach der einschlägigen Rechtsprechung des BAG nicht zulässig. Unabhängig davon sei eine Vertretung innerhalb des Gesamtbetriebsrats durch Arbeitnehmer anderer Unternehmer nicht möglich. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Betriebsratsmitglieder, die einem anderen Unternehmen angehörten, maßgeblich im Gesamtbetriebsrat an der Beschlussfassung von Angelegenheiten mitwirkten, die ausschließlich oder teilweise Arbeitnehmer anderer Unternehmen beträfen. Dies sei in vorliegendem Verfahren insbesondere gegeben, weil der Vorsitzende des Beteiligten zu 5 Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3 ist. Da der Gesamtbetriebsrat somit nicht existent sei, seien auch die Rahmenbetriebsvereinbarung "technische Einrichtungen" bzw. die Beschlüsse über die Einführung von Microsoft Office 365 unwirksam.

Im Hinblick auf die Neukonstituierung des Beteiligten zu 5 am 26. Mai 2020 war der Antragsteller der Meinung, dass diese ebenfalls nichtig sei, da erneut Betriebsräte, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Trägerunternehmen stehen, entsandt bzw. sogar zum Vorsitzenden gewählt wurden.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,

  1. Der Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 5.) wird als nichtig erklärt.

    Hilfsweise zu 1.

    Es wird fes...

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