Entscheidungsstichwort (Thema)

Entsendung von Betriebsratsmitgliedern aus Gemeinschaftsbetrieben in den Gesamtbetriebsrat

 

Leitsatz (redaktionell)

Mangels anderweitiger gesetzlicher Vorgaben in § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG können auch Gesamtbetriebsratsmitglieder durch Gemeinschaftsbetriebe in den Gesamtbetriebsrat entsandt werden, die keine vertragliche Bindung zum Trägerunternehmen haben. Entscheidend ist die demokratische Legitimation des entsandten Mitglieds für die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs.

 

Normenkette

BetrVG § 8 Abs. 1, § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 9, § 50

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 30.05.2017; Aktenzeichen 25 BV 1141/16)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2017, Az. 25 BV 1141/16, abgeändert.

    Die Anträge werden zurückgewiesen.

  2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird verworfen.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

i. Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gehört zur A.-Gruppe, die u. a. Halbleiterchips entwickelt, produziert und vertreibt. Sie hat ihren Sitz in A-Stadt.

Sowohl der Betrieb der Arbeitgeberin in A-Stadt als auch deren Betrieb in C-Stadt bilden jeweils mit der früheren F. GmbH, welche nunmehr D. GmbH & Co. KG heißt, einen Gemeinschaftsbetrieb. Im Gemeinschaftsbetrieb A-Stadt waren insgesamt 39 Mitarbeiter beschäftigt. Hiervon standen 32 mit der Arbeitgeberin und 7 mit der D. GmbH & Co. KG in einem Arbeitsverhältnis.

Im Gemeinschaftsbetrieb C-Stadt waren 184 Arbeitnehmer beschäftigt. Hiervon standen 171 mit der D. GmbH & Co. KG und 13 mit der Arbeitgeberin in einem Arbeitsverhältnis.

Im März 2014 wählten sowohl der Gemeinschaftsbetrieb C-Stadt als auch der Gemeinschaftsbetrieb A-Stadt jeweils einen lokalen Betriebsrat, den "Betriebsrat C-Stadt" und den "Betriebsrat A-Stadt". Der Beteiligte zu 3) ist der Betriebsrat A-Stadt, der Beteiligte zu 4) der Betriebsrat C-Stadt.

In den Betriebsrat C-Stadt wurden sieben ordentliche Mitglieder gewählt, die alle in einem Arbeitsverhältnis mit der D. GmbH & Co. KG standen.

Für den Gemeinschaftsbetrieb A-Stadt wurden Herr G., Frau H. und Herr I. als ordentliche Mitglieder in den Betriebsrat gewählt. Seit dem 01.01.2017 besteht der Betriebsrat nur noch aus dem Betriebsratsmitglied I., der in einem Arbeitsverhältnis zur D. GmbH & Co. KG steht. Ersatzmitglieder gab es keine.

Für die D. GmbH & Co. KG wurde im April 2014 ein Gesamtbetriebsrat errichtet, der aus vier Mitgliedern besteht.

Der Beteiligte zu 2) ist der für die Arbeitgeberin durch die Beteiligten zu 3) und 4) errichtete Gesamtbetriebsrat. Am 11.10.2016 unterrichtete der Gesamtbetriebsrat den Geschäftsführer der Arbeitgeberin über die konstituierende Sitzung des Beteiligten zu 2). In diesen wurden Herr G. aus dem Betriebsrat A-Stadt sowie Herr J. und Herr K. aus dem Betriebsrat C-Stadt entsandt.

Herr K. und Herr J. sind Mitarbeiter der D. GmbH & Co. KG C-Stadt, Herr G. war bei der Arbeitgeberin in A-Stadt angestellt. Am 28.11.2016 wurde die Arbeitgeberin durch Herrn I. in Kenntnis gesetzt, dass der Betriebsrat A-Stadt an diesem Tag beschlossen habe, ihn in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden. Herr I. ist Mitarbeiter der D. GmbH & Co. KG am Standort A-Stadt und nicht Mitarbeiter der Arbeitgeberin.

Mit ihrem am 25.10.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit der Errichtung des Gesamtbetriebsrats.

Sie hat geltend gemacht, die Errichtung eines "unternehmensübergreifenden" Gesamtbetriebsrats verstoße gegen zwingende Organisationsvorgaben des BetrVG, konkret gegen § 47 BetrVG. Ein unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat liege auch dann vor, wenn unternehmensfremde Betriebsratsmitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsandt würden. Einem solchen von unternehmensfremden Betriebsratsmitgliedern errichteten Gesamtbetriebsrat fehle es an jeglicher demokratischer Legitimation, da die entsandten Mitglieder nicht Interessenvertreter der Arbeitnehmereigenschaft des Unternehmens, sondern eines anderen Unternehmens seien. In den Gesamtbetriebsrat dürften nur unternehmenszugehörige Betriebsratsmitglieder entsandt werden. Zudem sei der Beschluss über die Entsendung von Herrn I. in den Gesamtbetriebsrat nichtig, hilfsweise unwirksam.

Die Arbeitgeberin hat beantragt

  1. festzustellen, dass die Errichtung des Beteiligten zu 2) nichtig ist;

    hilfsweise:

  2. die Errichtung des Beteiligten zu 2) für unwirksam zu erklären;
  3. festzustellen, dass der Beschluss des Betriebsrats des gemeinsamen Betriebs der Antragstellerin und der F. GmbH in A-Stadt vom 28.11.2016 über die Entsendung des Betriebsratsmitglieds I. in den Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin, d. h. in den Beteiligten zu 2), nichtig ist;

    hilfsweise:

  4. festzustellen, dass der Beschluss des Betriebsrats des gemeinsamen Betriebs der Antragstellerin und der F. GmbH in A-Stadt vom 28.11.2016 über die Entsendung des Betriebsratsmitgli...

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