Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenteilung bei übereinstimmender Erledigungserklärung. Unbillige Kostenlast der Klägerin bei Nichtabgabe einer Klagerücknahmeerklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist vom Kläger nicht mutwillig, den Rechtsstreit durch übereinstimmende Erligungserklärungen beenden zu wollen anstatt die Klage zurückzunehmen, auch wenn durch den Beschluss gem. § 91a Abs. 1 ZPO erstmals Kosten anfallen, die bei einer Klagerücknahme nicht angefallen wären. Es muss nicht auf das Kosteninteresse der Beklagten Rücksicht genommen werden. Die Beklagte kann nämlich eine Gebührenpriviligierung bei einer übereinstimmenden Erldigungserklärung gem. Nr. 8210 Abs. 2 KV-GKG durch Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung auch selbst bewirken. Die Beklagte kann bei streitigem Sachverhalt vom Kläger nicht zumutbar verlangen, sich durch eine Klagerücknahme in die Position des gefühlten Verlierers zu begeben, die sie selbst durch eine Kostenübernahmeerklärung nicht einnehmen möchte.

 

Normenkette

ZPO § 91a Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 3; GKG-KV Nr. 8210 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 03.08.2016; Aktenzeichen 2 Ca 189/16)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 03.08.2016 (2 Ca 189/16) teilweise abgeändert:

    Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.

  2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
  3. Die Parteien haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
  4. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beklagte zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Klägerin wehrt sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Auferlegung der Verfahrenskosten im Hauptsacheverfahren.

Die Parteien stritten vor dem Arbeitsgericht über einen Beschäftigungsantrag der Klägerin und dabei über die Wirksamkeit einer Versetzungsmaßnahme.

Die Parteien erklärten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 14.07. und 21.07.2016 übereinstimmend für erledigt, nachdem die Beklagte der Klägerin auf deren Bewerbung einen (anderen) neuen Arbeitsplatz zugewiesen hatte. Der Vorsitzende wies mit Verfügung vom 21.07.2016 auf die gebührenrechtlichen Auswirkungen eines Beschlusses gemäß § 91a ZPO hin und regte eine gebührenprivilegierte Klagerücknahme an. Eine solche Klagerücknahme erfolgte nicht.

Das Arbeitsgericht beschloss daraufhin am 03.08.2016, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Das Arbeitsgericht führte zur Begründung aus, es müsse im Rahmen des billigen Ermessens berücksichtigt werden, dass die Klägerin durch die Verweigerung einer Klagerücknahme den Beschluss nach § 91a ZPO erst erzwungen habe und damit das Entstehen von Gerichtsgebühren überhaupt erst ausgelöst habe. Diese von der Klägerin provozierten Kosten hätte die Klägerin unabhängig davon zu tragen, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war.

Dieser Beschluss wurde der Klägerseite am 08.08.2016 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Klägerin, die am 22.08.2016 beim Arbeitsgericht einging. Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 05.09.2016 nicht ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Die Klägerin begehrt, die Kosten der Beklagten vollständig aufzuerlegen.

Sie meint, die Klage sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen.

Es sei nicht ihre Aufgabe, auf die Kosteninteressen der Beklagten Rücksicht zu nehmen. Die Beklagte hätte zur Meidung von Gerichtsgebühren auch eine Kostenübernahmeerklärung abgeben können.

Die Beklagte verteidigt dagegen den angegriffenen Beschluss. Die Klägerin habe das Entstehen von Gebühren durch ihr Prozessverhalten erst provoziert.

Sie meint außerdem, die Klägerin hätte die Klage zur Unzeit erhoben. Die Klägerin habe gewusst, dass die Beklagte unter Beteiligung des Betriebsrates kurz nach Klageerhebung über ihre Bewerbung auf eine neue Stelle habe entscheiden wollen. Wegen der Zuweisung der neuen von der Klägerin auch gewünschten Stelle sei der Rechtsstreit schließlich auch erledigt worden. Dies müsse in entsprechender Anwendung von § 93 ZPO berücksichtigt werden.

Im Übrigen wäre die ursprüngliche Klage auch unbegründet gewesen. Die Klägerin habe schon den Inhalt ihrer bisherigen Stelle falsch beschrieben als auch den Inhalt der (streitigen) neu zugewiesenen Stelle. Außerdem gebe es die von der Klägerin beantragte bisherige Stelle im Betrieb nicht mehr.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so hat das Gericht gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Es entspricht vorliegend billigem Ermessen, den Parteien jeweils die Hälfte der Kosten aufzuerlegen.

1. Dass die Klägerin die Klage nicht zurückgenommen hat, kann ihr - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - im Rahmen dieser Ermessensentscheidung nicht zum Nachteil gereichen.

a) Es wird zwar zum Te...

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