Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Versetzung eines Arbeitnehmers bei unerheblichen Einwendungen des Betriebsrats zur Zweckmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung. Unzulässige Beschwerde bei unzureichender Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu Fragen der Dringlichkeit der personellen Maßnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Beschwerdebegründung angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe die Beschwerde gestützt wird; für jeden Streitgegenstand ist eine klare Darlegung der Gründe erforderlich, warum der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft ist.
2. Die Beschwerdebegründung muss auf den zu entscheidenden Einzelfall zugeschnitten sein und klar und bestimmt erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art und aus welchen Gründen der Beschwerdeführer den angefochtenen Beschluss für unrichtig hält.
3. Hat das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig.
4. Hat das Arbeitsgericht seine Feststellung der Dringlichkeit einer personellen Maßnahme auf das Argument gestützt, dass das Bestreiten der Dringlichkeit durch den Betriebsrat angesichts des Zeitablaufs nicht mehr unverzüglich im Sinne von § 100 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gewesen ist, hat sich der Betriebsrat in seiner Beschwerdebegründung damit auseinanderzusetzen; betrifft die gesamte Beschwerdebegründung nur die Entscheidung des Arbeitsgerichts zum Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin, liegt darin keine ausreichende Auseinandersetzung mit den Gründen des arbeitsgerichtlichen Beschlusses zu dem davon unabhängigen Feststellungsantrag der Arbeitgeberin.
5. Die unternehmerische Entscheidung, Arbeitsplätze zu verlagern, ist im Rahmen von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen sondern stellt einen vorgegebenen betrieblichen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar; der Betriebsrat kann nicht über einen auf diese Vorschrift gestützten Widerspruch nach § 99 Abs. 3 BetrVG erzwingen, dass die unternehmerische Entscheidung rückgängig gemacht wird.
6. Die Regelung des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG sieht keine Interessenabwägung zwischen "gewichtigen" Nachteilen des Arbeitnehmers und aus seiner Sicht geringen Vorteilen der unternehmerischen Entscheidung für betriebliche Belange vor; anders als im Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG) ist in § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht von "dringenden" sondern lediglich von "betrieblichen Gründen" die Rede, womit unterschiedliche Maßstäbe in einem individualrechtlichen Rechtsstreit und dem betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren zur Zustimmungsersetzung bestimmt sind.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, 2 Nr. 4, Abs. 3-4, § 100 Abs. 2 S. 2; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3; ArbGG § 89 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 05.12.2013; Aktenzeichen 7 BV 9/13) |
Tenor
- Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 5. Dezember 2013 (Az.: 7 BV 9/13) wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die antragstellende Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des in ihrem Betrieb M. bestehenden Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers W. von M 1 nach M. sowie Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in M. und beschäftigt mehrere hundert Arbeitnehmer. Der Antragsgegner ist der am Sitz der Zentrale in M. gebildete Betriebsrat.
Der am 00.00.1971 geborene, ledige und weiter nicht zum Unterhalt verpflichtete Arbeitnehmer W. arbeitet auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. April 2005 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 34 ff.; I/34 ff.) seit dem 1. April 2005 als Anwendungsbetreuer zu einer Vergütung von zuletzt monatlich EUR 3.825,00 brutto bei der Arbeitgeberin. Er wohnt im Raum M 1, zusammen mit seiner Freundin und deren Kind. Er ist dort in einem Verein aktiv und kümmert sich mit um die Betreuung des Kindes und weiterer dort wohnender Angehöriger seiner Freundin. Der Wohnort des Arbeitnehmers W. im Raum M 1 ist vom Sitz der Arbeitgeberin in M. etwa 380 km entfernt.
Der Arbeitnehmer W. ist im Rahmen der MAVIS-Betreuung in der Abteilung OnlineServices tätig, die sich mit der Wiederherstellung der Systemumgebung beim Außendienst, mit Sicherheitsproblemen durch Computer-Viren, der Unterstützung der MAVIS-Anwendung und mit E-Mail beziehungsweise Internetproblemen beschäftigt. Außer Herrn W., der bislang am Standort M 1 für den zum Tätigkeitsgebiet M 1 gehörenden Außendienst unterstützend tätig war, arbeiten in der Abteilung OnlineServices als Anwendungsbetreuer noch Herr H....