Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung des Arbeitsrechtsweg für Schadensersatzklage eines Gebäudereinigers aus unerlaubter Handlung eines Gabelstaplerfahrers am Einsatzort. Sachentscheidung des Landgerichts bei verfahrensfehlerhaftem Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Nichtabhilfebeschluss im Beschwerdeverfahren fehlerhaft allein vom Vorsitzenden statt von der Kammer erlassen worden, so ist auch im Rechtswegsbestimmungsverfahren nach § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17 a Abs. 4 GVG eine Zurückverweisung wegen dieses Verfahrensfehlers weder zwingend geboten noch von vornherein ausgeschlossen. Die mit einer Zurückverweisung verbundene Verfahrensverzögerung dürfte es jedoch regelmäßig angezeigt erscheinen lassen, dass das Landesarbeitsgericht selbst eine Sachentscheidung trifft.
2. Eine unerlaubte Handlung steht nur dann iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang, wenn sie zum Arbeitsverhältnis der Parteien in einer inneren Beziehung steht. Eine nur zufällige Beteiligung verschiedener Arbeitnehmer reicht nicht aus.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 9, § 48 Abs. 1, § 78 Abs. 1; ZPO §§ 32, 572 Abs. 1 S. 1; GVG § 17a Abs. 4, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.05.2015; Aktenzeichen 27 Ca 163/14) |
Tenor
- Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kn. Aalen - vom 07.05.2015 - 27 Ca 163/14 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
- Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Der am 0.0.1978 geborene Kläger ist bei der Firma zu einem durchschnittlichen Netto-Monatslohn von 1.100,- € als Gebäudereiniger beschäftigt. Am 17.04.2012 war der Kläger auf dem Gelände der , die die Firma mit der Fensterreinigung am dortigen Gebäude beauftragt hatte, eingesetzt. Der dortige Hallenbereich ist an die Beklagte zu 2, eine Dienstleisterin der , vermietet. Der Beklagte zu 1 ist bei der Beklagten zu 2 als Gabelstaplerfahrer beschäftigt.
Mit seiner am 29.04.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage nimmt der Kläger die Beklagten zu 1-3 als Gesamtschuldner auf Schmerzensgeld und die Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher materieller und immaterieller Schäden aus einem Unfallereignis vom 17.04.2012 in Anspruch. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er am 17.04.2012 in der auf dem Betriebsgelände der befindlichen Halle, die auch an die Beklagte zu 3 vermietet worden sei, auf einer Leiter in ca. 5 Meter Höhe gestanden habe, um die Fenster zu reinigen. Der Beklagte zu 1 sei in der dortigen Halle mit seinem Gabelstapler aus einem Gang ausgefahren, ohne ausreichende Sicht auf die Fahrbahn zu haben, und habe dabei die Leiter, auf der sich der Kläger befand, am linken Leiterfuß erfasst und die Leiter umgestoßen, weshalb der Kläger aus ca. 5 Meter Höhe auf den Betonboden gefallen sei und sich dabei schwer verletzt habe. Damit habe der Beklagte zu 1 in Ausübung seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer widerrechtlich den Körper und die Gesundheit des Klägers verletzt und hafte demzufolge nach § 823 BGB. Die Beklagten zu 2 und zu 3 hafteten vollumfänglich als Gesamtschuldnerinnen über ein Auswahl- bzw. Organisationsverschulden, denn sie hätten in der Halle durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen für einen risikofreien, vom Gabelstaplerverkehr getrennten Bereich für Fußgänger sorgen müssen. Ein Mitverschulden des Klägers scheide aus.
Die Beklagten haben vorgetragen, dass der Beklagte zu 1 nicht mit dem Gabelstapler gegen den Leiterfuß oder die Leiter gestoßen sei und den Unfall nicht verursacht habe. Das angerufene Gericht sei nicht zuständig, da eine "gemeinsame Betriebsstätte" nicht vorhanden sei und auch kein gemeinsames Zusammenwirken vorliege.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 24.07.2014 unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser hat am 15.12.2014 die Aufhebung seiner Beiordnung beantragt. Am 18.12.2014 hat Rechtsanwältin angezeigt, den Kläger künftig zu vertreten.
Das Arbeitsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2015, zu der der Kläger mit Rechtsanwältin erschienen war, mit Beschluss vom selben Tag festgestellt, dass der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gegeben sei, und den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG gegeben sei. Diese Vorschrift setze voraus, dass es sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit oder aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, handele. Das...