Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Zulassung. Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten. Fehlende Unterschrift
Leitsatz (redaktionell)
Jedenfalls im Fall der fristgerecht eingereichten, aber nicht unterzeichneten Kündigungsschutzklage ist das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem klagenden Arbeitnehmer nicht zuzurechnen.
Normenkette
KSchG §§ 5, 4; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 22.05.2003; Aktenzeichen 8 Ca 146/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Villingen-Schwenningen –vom 22.05.2003, Az. 8 Ca 146/03, abgeändert.
Die Klage wird nachträglich zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier Änderungskündigungen des Beklagten. Vorliegend geht es um die Frage, ob die nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG eingereichte Klage nachträglich zuzulassen ist
I.
Die 50-jährige Klägerin, seit 18 Jahren bei dem Beklagten als stellvertretende Heimleiterin beschäftigt, erhielt am 20.12.2002 drei schriftliche Änderungskündigungen, allesamt datiert vom 19.12.2002, die mit dem Hinweis, eine Leitungsfunktion könne der Klägerin nach Umorganisation nicht mehr angeboten werden, das Ziel verfolgten, zum 30.06.2003 die bisherige Vergütung der Klägerin nach AVR III (zuletzt 4.203,00 EUR) auf AVR IV b (ordentliche Kündigung zum 30.06.2003 und außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2003) bzw. AVR IV a (hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.06.2003) zu reduzieren.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.01.2003, dem Beklagten noch innerhalb der am 10.01.2003 endenden Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG zugegangen, nahm die Klägerin die Änderungsangebote unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und fügte diesem Schreiben den Entwurf einer Kündigungsschutzklage bei.
Am 09.01.2003 übersandte die Sekretärin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine 33 Seiten umfassende Klageschrift gegen die drei Änderungskündigungen per Telefax und per Post an das zuständige Arbeitsgericht Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen. Weder das Telefax noch die Originalkündigungsschutzklage trugen eine Unterschrift. Auch die mit der Originalkündigungsschutzklage an das Arbeitsgericht übersandte beglaubigte Ausfertigung und die unbeglaubigte weitere Ausfertigung waren nicht unterzeichnet, auch nicht der Beglaubigungsvermerk selbst.
Am 13.01.2003 erfolgte Terminsbestimmung zur Güteverhandlung auf den 20.02.2003. Auf die fehlende Unterzeichnung der Klageschrift wies das Arbeitsgericht die Parteien nicht hin. Mit Schreiben vom 05.01.2003 zeigten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten die anwaltliche Vertretung an und bestätigten die Terminsladung. Im Gütetermin vom 20.02.2003 wurden die Parteien vom Vorsitzenden erstmals auf die fehlende Unterschrift unter der Klageschrift aufmerksam gemacht.
Mit Klageschrift vom 25.02.2003, am selben Tage beim Arbeitsgericht eingegangen, erhob die Klägerin erneut Klage gegen die drei Änderungskündigungen und beantragte mit Schriftsatz vom 27.02.2003, per Telefax eingegangen am gleichen Tage, die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 25.02.203. Bei der Faxzustellung fehlte die letzte Seite mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Daraufhin wurde der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage in vollständiger Form, einschließlich Unterschrift des Prozessvertreters, am 28.02.2003 noch einmal dem Arbeitsgericht zugefaxt.
Die Klägerin hat zur Begründung ihres Zulassungsantrags im Wesentlichen vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe seine Sekretärin am 08.01.2003 angewiesen, am Folgetag die Klageschrift fertig zu machen und an das Arbeitsgericht per Fax und urschriftlich abzusenden. An diesem Tage sei er selbst ortsabwesend gewesen. Am 10.01.2003 habe er sich nach der Absendung erkundigt, die ihm von der Sekretärin bestätigt worden sei. Persönlich habe er sich sodann im Faxjournal und durch Feststellung des Fehlens des Originalschriftsatzes in den Akten vergewissert, dass die Klage rechtzeitig das Büro verlassen habe. Erst nach Rückkehr des Sitzungsvertreters Rechtsanwalt vom Gütetermin am 20.02.2003 hätten er und seine Rechtsanwaltskollegen Kenntnis davon erlangt, dass die Sekretärin aus ihr selbst nicht erklärlichen Gründen die Klage ohne Unterschrift abgesandt hatte, anstatt sie, wie in den regelmäßigen Bürobesprechungen immer wieder angewiesen und erläutert, bei Abwesenheit des Sachbearbeiters einem anderen, im Büro anwesenden Rechtsanwalt zur Unterzeichnung vorgelegt zu haben.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie selbst treffe an dem Versäumnis der Sekretärin ihres Prozessbevollmächtigten kein Verschulden, auch ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten scheide aus, da durch Unterweisung des Büropersonals und Kontrolle organisatorisch alles Mögliche getan worden sei, um derartige Fehler zu vermeiden. Letztlich aber sei im Rahmen des § 5 KSchG ohne...