Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Klagezulassung. Fehlen einer Unterschrift
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt muss durch allgemeine Anweisungen Vorsorge dafür treffen, dass bei normalem Lauf der Dinge Fristversäumnisse wegen fehlender Unterschrift unter bestimmenden Schriftsätzen vermieden werden. Ist dieses geschehen, darf ein Rechtsanwalt die Unterschriftenkontrolle gänzlich einer sorgfältig ausgewählten und überwachten Mitarbeiterin überlassen und sich auf das Funktionieren seiner Anweisungen verlassen.
Normenkette
KSchG § 5; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 25.01.2007; Aktenzeichen 6 Ca 8510/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 25. 1. 2007 – 6 Ca 8510/06 – abgeändert:
Die Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.09.2006 wird nachträglich zugelassen.
Tatbestand
I.Die Beklagte, die im Bereich Reinigungsservice, Gebäudemanagement und Flughafenservice tätig ist und deutschlandweit ca. 3000 Mitarbeiter beschäftigt, kündigte das mit der Klägerin am 01.05.1999 begonnene Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.09.2006, dass der Klägerin am 29.09.2006 zugegangen ist.
Am 18.10.2006 ging bei Gericht eine nicht unterzeichnete Kündigungsschutzklage ein, die auch noch andere Streitgegenstände betrifft.
Nach einem schriftlichen Hinweis des Arbeitsgericht vom 26.10.2006 unterzeichnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klageschrift am 02.11.2006.
Mit Schriftsatz vom 03.11.2006, beim Arbeitsgericht am 06.11.2006 eingegangen, beantragte die Klägerin, die Klage nachträglich zuzulassen.
Ihr Prozessbevollmächtigter hat dazu Folgendes vorgetragen:
Über den Erhalt der Kündigung habe die Klägerin ihn bereits am 29.09.2006 telefonisch informiert. Die Angelegenheit sei sodann in den Kanzleiräumen am 2. Oktober 2006 besprochen worden. In diesem Termin habe die Klägerin ihn, den Prozessbevollmächtigten beauftragt, die Klage innerhalb der Frist des § 4 KSchG einzureichen.
Nach Zugang der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung sei sodann am 17. und 18.10.2006 die Klageschrift diktiert worden. Dabei habe der Prozessbevollmächtigte auch noch 3 weitere Klagen von Kollegen der Klägerin diktiert, die sich ebenfalls gegen Kündigungen bzw. Abmahnungen richteten.
Sämtliche Klagen seien nach Diktat von der angestellten Mitarbeiterin Frau S S geschrieben worden. Frau S sei 35 Jahre alt und ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte. Sie sei seit September 1994 als solche in der Kanzlei K und B in Köln beschäftigt gewesen. Sowohl die Fristenkontrolle als auch das Schreiben nach Diktat gehörten zu ihren ständigen Aufgaben. In den Arbeitszeugnissen seien ihr stets gute bis sehr gute Leistungen und hohe Zuverlässigkeit bescheinigt worden.
Ebenso gut und zuverlässig habe sich Frau S in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wo sie seit dem 16.06.2006 mit 30 Wochenstunden beschäftigt sei, in den gleichen Aufgaben gezeigt. Frau S habe stets einwandfrei gearbeitet und insbesondere weder Fristen unkorrekt notiert, noch sonstige wesentlichen Arbeitsanweisungen nicht beachtet.
Bereits in den ersten Tagen der Tätigkeit habe sich Frau S auf Anweisung des Prozessbevollmächtigten mit sog. „Mitarbeitermemos” vertraut gemacht. In dem „Memo 2: Erstellung eines Schriftsatzes” welches als Anlage beigelegt ist (Bl. 41 – 43 d.A.) heißt es:
„Erst nach Unterschrift der Klage und der beglaubigten Abschriften darf der Schriftsatz in das Postausgangsfach (blaues Fach mit entspr. Beschriftung) in das Sekretariat gelegt werden. Achtung: Eine Klage, die nicht unterschrieben ist, gilt i. d. R. als nicht erhoben, d. h. dass entsprechende Fristen (z. B. Berufungsfrist bzw. Klagefrist gem. § 4 KSchG) nicht gewahrt werden können, wenn die Unterschrift des Rechtsanwaltes fehlt. Daher gilt die doppelte Unterschriftenkontrolle: Jeder Schriftsatz und auch jedes sonstige Schreiben, das in das Postausgangsfach im Sekretariat gelegt wird, ist vorher auf Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen (1. Kontrolle). Vor der Kuvertierung (bzw. im Falle der unkuvertierten Abgabe bei Gericht: Vor der Abgabe bzw. dem Einwurf in den Gerichtsbriefkasten) erfolgt erneut eine Überprüfung auf Vorhandensein der Unterschrift (2. Kontrolle). Verantwortlich für die Kontrollen ist stets der Ausführende.”
Diese Arbeitsmappe werde im Sekretariat aufbewahrt und von den Mitarbeitern regelmäßig bei Fragen herangezogen. Frau S sei der zitierte Inhalt bekannt. In den letzten Monaten habe der Prozessbevollmächtigte Frau S darüber hinaus in mindestens zwei Fällen nochmals auf die Erforderlichkeit der doppelten Unterschriftskontrolle angesprochen. Zumindest die Einhaltung der 1. Kontrolle werde von allen Rechtsanwälten der Kanzlei wöchentlich überprüft, in dem die Post im Postausgangsfach nach vorhandenen Unterschriften stichprobenartig geprüft werde.
Dass Frau S die Klageschrift nach ihrer Fertigstellung am 18.10.2006 statt in die Unterschriftenmappe versehentlich in das Postau...