Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Einrichtung einer Einigungsstelle über die Grundsätze der Verteilung eines Entgelterhöhungsbudgets bei Ankündigung der Anwendung der Verteilungsgrundsätze einer bereits gekündigten Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einigungsstelle über die Grundsätze der Verteilung eines Entgelterhöhungsbudgets wird nicht dadurch offensichtlich unzuständig, dass der Arbeitgeber zeitgleich mit der Bereitstellung des Budgets mitteilt, Verteilungsgrundsätze aus einer bereits gekündigten, aber noch nachwirkenden Betriebsvereinbarung anzuwenden. Der Regelungsgegenstand der Einigungsstelle ist jedenfalls vor dem Inkrafttreten der Entgelterhöhung nicht erledigt. Die nachwirkende Regelung kann zumindest bis dahin noch abgelöst werden.

 

Normenkette

ArbGG § 100; BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1, § 74 Abs. 1 S. 2, § 76 Abs. 2, § 77 Abs. 3, 6, § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 13.10.2022; Aktenzeichen 2 BV 155/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.10.2022 (2 BV 155/22) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A

Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle.

Im Unternehmen der Beteiligten zu 2 (nachfolgend: Arbeitgeber) findet eine Gesamtbetriebsvereinbarung "Gehaltssystem" vom 30. Juli 2019 (Bl. 5 bis 13 der arbeitsgerichtlichen Akte) Anwendung, welche unter Nr. III rahmenmäßig regelt, wie Entgelterhöhungsbudgets, über die der Arbeitgeber jährlich entscheidet, verteilt werden sollen. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung wurde vom Beteiligten zu 1 (nachfolgend: Gesamtbetriebsrat) aufgrund einer Beschlussfassung vom 14. Juli 2022 zum 31. Oktober 2022 gekündigt. Der Arbeitgeber wurde zu Neuverhandlungen aufgefordert.

Es fanden zwischen den Beteiligten Neuverhandlungen statt, die jedoch bislang hauptsächlich eine vom Gesamtbetriebsrat vor dem Hintergrund der derzeitigen Inflation gewünschte Sonderregelung für das Fiskaljahr 2023 zum Gegenstand hatten. Der Arbeitgeber wünscht keine Sonderregelung.

Der Gesamtbetriebsrat erklärte die Verhandlungen mit Schreiben vom 22. August 2022 für gescheitert. Er teilte dem Arbeitgeber mit, die Bildung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "GBV Gehaltssystem" beschlossen zu haben.

Die Beteiligten konnten sich nicht auf die Bildung einer Einigungsstelle einigen, weshalb der Gesamtbetriebsrat auf der Grundlage der Beschlussfassung vom 22. August 2022 am 31. August 2022 vorliegendes Verfahren einleitete, mit welchem er die Einsetzung einer Einigungsstelle für den Regelungsgegenstand "Verteilungsgrundsätze des Budgets für Entgelterhöhungen Fiskaljahr 2023" beantragte.

Nachdem der Arbeitgeber im Verfahren rügte, dass der nunmehr beantragte Regelungsgegenstand für die einzusetzende Einigungsstelle nicht identisch sei mit dem Regelungsgegenstand aus der Beschlussfassung vom 22. August 2022, fasste der Betriebsrat am 27. September 2022 einen genehmigenden Beschluss, mit welchem der Verfahrensbevollmächtigte beauftragt wurde, das Beschlussverfahren zur Einsetzung der Einigungsstelle "Verteilungsgrundsätze des Budgets Entgelterhöhungen Fiskaljahr 2023" beim Arbeitsgericht einzuleiten.

Zu der Gesamtbetriebsratssitzung vom 27. September 2022 wurden sämtliche Gesamtbetriebsratsmitglieder am 20. September 2022 unter Beifügung einer Tagesordnung eingeladen. Die Tagesordnung wurde mit an alle Gesamtbetriebsratsmitglieder gerichteten E-Mail vom 26. September 2022, 15:43 Uhr ergänzt um den Tagesordnungspunkt der (genehmigenden) Beschlussfassung zur Einleitung des vorliegend streitigen Beschlussverfahrens. An der Sitzung am 27. September 2022 haben alle Gesamtbetriebsratsmitglieder, bzw. Ersatzmitglieder teilgenommen mit Ausnahme des Mitglieds C. S. aus H.. Diese ist in der Teilnehmerliste als "verhindert", "Business, nicht nachladefähig" bezeichnet. Frau S. nahm deshalb nicht an der Sitzung teil, weil sie sich dienstlich bei einem Kunden befand. Die Änderung/Ergänzung der Tagesordnung wurde zu Beginn der Sitzung einstimmig angenommen. Der vorgeschlagene Beschluss wurde ebenfalls einstimmig angenommen.

Mit Schreiben vom 12. November 2022 (Bl. 33 der LAG-Akte) teilte der Arbeitgeber dem Gesamtbetriebsrat mit, dass das Gehaltserhöhungsbudget 3,5 Prozent betrage. Er teilte zugleich mit, das Erhöhungsbudget entsprechend den Regelungen aus der gekündigten Gesamtbetriebsvereinbarung bereits verteilt zu haben. Er bat den Gesamtbetriebsrat um die in Nr. III c der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Bestätigung der rechnerischen Richtigkeit der Erhöhungsmatrix. Eine solche Bestätigung gab der Gesamtbetriebsrat nicht ab.

Der Gesamtbetriebsrat vertrat die Auffassung, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.

Der Gesamtbetriebsrat beantragte:

  1. Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle "Verteilungsgrundsätze des Budgets für Entgelterhöhungen Fiskaljahr 2023" wird der Direktor des Arbeitsgerichts Y., X., bestimmt.
  2. Die Anzahl der Beisitzer wird au...

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