Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung aus Titel zur Weiterbeschäftigung "als Arbeiter". Zwangsgeldfestsetzung bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Weiterbeschäftigungstitel, mit dem ein Arbeitgeber verurteilt wird, einen Arbeitnehmer "als Arbeiter" weiter zu beschäftigen, ist für eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn die Art der Tätigkeit arbeitsvertraglich nicht näher konkretisiert ist und diese nie im Streit stand.

2. Einer Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungstitels nach § 888 ZPO kann der Arbeitgeber den Einwand der Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht entgegenhalten, wenn die Unmöglichkeitsgründe, auf die der Arbeitgeber sich beruft, bereits Gegenstand des Erkenntnisverfahrens bis zum Erlass des Titels waren oder bis dahin von ihm hätten vorgebracht werden können.

3. Darüber hinausgehend können aber auch Unmöglichkeitsgründe, die nicht im Erkenntnisverfahren bis zum Erlass des Titels thematisiert wurden oder thematisiert hätten werden können, weil sie erst nachträglich eingetreten sind, im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO nicht vom Arbeitgeber als die Vollstreckung hindernde Gründe ins Feld geführt werden, soweit diese nicht unstreitig oder offenkundig sind.

 

Normenkette

ZPO § 888; BGB § 275 Abs. 1-2; ArbGG § 62 Abs. 1 S. 1; ZPO § 322 Abs. 1, § 888 Abs. 1; BGB § 275 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 19.08.2015; Aktenzeichen 26 Ca 1922/14)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten Ziff. 2/Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 19. August 2015 - 26 Ca 1922/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte Ziff. 2/Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger/Gläubiger (im Folgenden ausschließlich als Kläger bezeichnet) und die Beklagte Ziff. 2/Schuldnerin (im Folgenden ausschließlich als Beklagte Ziff. 2 bezeichnet) streiten im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO über die Vollstreckung aus einem arbeitsgerichtlichen Weiterbeschäftigungstitel.

Der Kläger war jedenfalls bis zum 31. März 2011 bei der Beklagten Ziff. 2 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Ob das Arbeitsverhältnis zum 1. April 2011 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte Ziff. 1 überging oder ob es bei der Beklagten Ziff. 2 verblieb, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte Ziff. 1 kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 ordentlich. Auch alle anderen ihrer Arbeitnehmer erhielten eine ordentliche Kündigung. Der Kläger erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Im Kündigungsschutzverfahren berief er sich auf ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten Ziff. 2 und stellte einen entsprechenden Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsantrag dieser gegenüber.

Mit Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 8. Mai 2015 wurde festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten Ziff. 2 über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht. Gleichzeitig wurde die Beklagte Ziff. 2 verurteilt, den Kläger als Arbeiter weiter zu beschäftigen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten Ziff. 2 nicht zum 1. April 2011 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte Ziff. 1 übergegangen, sondern bei der Beklagten Ziff. 2 verblieben sei. Die Beklagte Ziff. 2 habe ihre Betriebsinhaberschaft nicht verloren, denn die von ihr getroffene Vereinbarung mit der Beklagten Ziff. 1 stelle sich als echte Betriebsführungsvereinbarung dar, die keinen Betriebsübergang zur Folge gehabt habe. Die Beklagte Ziff. 1 sei ab diesem Zeitpunkt nur "verlängerter Arm" der Beklagten Ziff. 2 gewesen, nicht aber diejenige, die eine eigene Organisations- und Leitungskompetenz bezogen auf den betrieblichen Funktionszusammenhang ausgeübt habe. In parallel gelagerten Fällen ergingen am 8. Mai 2015 gleichlautende Urteile.

Die Beklagte Ziff. 2 und der Kläger legten gegen das Urteil vom 8. Mai 2015 Berufung ein. Das Berufungsverfahren ist derzeit beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg anhängig. Die Beklagte Ziff. 2 stellte zudem mit ihrer Berufung einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung.

In späteren Urteilen vom 22. Mai 2015 und vom 17. Juli 2015 in ebenfalls parallel gelagerten Fällen bewertete das Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - die Rechtslage anders. Es ging davon aus, dass die Arbeitsverhältnisse mit der Beklagte Ziff. 1 bestehen würden, erachtete deren Kündigungen für unwirksam und verurteilte die Beklagte Ziff. 1 zur Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer. Die Beklagte Ziff. 1 beschäftigt diese Arbeitnehmer entsprechend dem Titel weiter.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2015 kündigte die Beklagt...

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