Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. Vergleichsmehrwert: Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses im Vergleich im Rechtsstreit über den Bestandschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Vergleichsmehrwert setzt die Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Vereinbarung voraus (§ 779 BGB).

Ergeben sich aus den Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Streit über ein Zeugnis (z.B. durch vorgelegten außergerichtlicher Schriftverkehr über die Geltendmachung / Ablehnung), so bedarf es konkreten Vortrags hinsichtlich des Streits der Parteien über das Zeugnis.

 

Normenkette

GKG § 63

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 22.01.2010; Aktenzeichen 14 Ca 642/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 22. Januar 2010 – 14 Ca 642/09 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerde der Beschwerdeführer (Prozessbevollmächtigte des Klägers) richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.

Im Ausgangsverfahren machte der Kläger die Unwirksamkeit einer Kündigung vom 23. November 2009 und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Umfang von 100 Monatsstunden geltend. Darüber hinaus sollte der Beklagte zur Zahlung rückständiger Vergütungen für die Monate September, Oktober und November in Höhe von insgesamt EUR 3.450,00 brutto verurteilt werden sowie zur Erteilung korrigierter Abrechnungen für die Monate September und Oktober sowie der Erteilung einer Abrechnung für den Monat November. Im Termin zur Güteverhandlung vor dem Vorsitzenden am 13. Januar 2010 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 1. Dezember 2009 geendet hat. Darüber hinaus wurde die Zahlung einer Sozialabfindung in Höhe von EUR 1.300,00 brutto vereinbart, wobei dem Beklagten Ratenzahlung nachgelassen wurde. Darüber hinaus verpflichtete sich der Beklagte zur Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses, der Erteilung einer Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 1 SGB III und die Parteien erzielten Einigkeit, dass durch den Vergleich sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt seien.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22. Januar 2010 den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 7.000,00 festgesetzt und die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Hiergegen wendet sich die am 29. Januar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 3. Februar 2010 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die nach dem Wert der Beschwer statthafte (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts liegen im Entscheidungsfall nicht vor.

1. Nichtfestsetzung eines Vergleichsmehrwerts im Hinblick auf § 3 des Vergleiches, wonach sich der Beklagte verpflichtet, dem Kläger ein wohlwollend formuliertes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, ist nicht zu beanstanden. Nach der ständigen und jahrelangen Rechtsprechung der Kammer 3 des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, von der abzuweichen die zwischenzeitlich zuständige Kammer 5 des Landesarbeitsgerichts keinen Grund hat, gelten für die Annahme eines Vergleichsmehrwerts folgende Grundsätze (statt vieler nur LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2006 – 3 Ta 23/06 –, zu II 4 der Gründe:

a) Ein Vergleichsmehrwert setzt nach allgemeiner Überzeugung im Sinne des § 779 BGB die Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch die Vereinbarung voraus (vgl. nur Schneider-Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess 11. Auflage Rn. 4559 ff. m. w. N.).

aa) Ein Rückgriff insoweit auf die Regelung Nr. 1000 VV RVG wird der gesetzlichen Systematik nicht gerecht. Diese Bestimmung regelt nicht die Frage, wann ein Vergleichsmehrwert anzunehmen ist, sondern wann eine Einigungsgebühr entsteht. Aus welchem Wert sie zu berechnen ist, ist nicht Gegenstand der Regelung. Erforderlich ist danach auch für das Entstehen einer Einigungsgebühr, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis vertraglich beseitigt wird. Dieser Wortlaut stimmt mit § 779 BGB insoweit überein mit der Maßgabe, dass auf ein gegenseitiges Nachgeben verzichtet wird. Darüber hinaus soll die Einigungsgebühr die Bemühung der Rechtsanwälte um eine Beilegung eines Streitfalls ohne streitige Entscheidung unter den dort genannten Voraussetzungen honorieren. Dies beinhaltet ohne Weiteres auch eine Regelung von begleitenden Umstände oder Folgewirkungen des Vergleichs; denn die Vergleichsbereitschaft einer Partei hängt häufig davon ab, dass mit dem Vergleich weitere Regelungen getroffen werden über Umstände, die zwar rechtlich nicht umstritten waren, die aber als Ansatzpunkt für eige...

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