Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Es ist grundsätzlich vom doppelten Anknüpfungswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG auszugehen, wenn ein Spruch einer Einigungsstelle angefochten wird, der eine Betriebsvereinbarung zum Gegenstand hat.
Normenkette
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 17.04.2024; Aktenzeichen 8 BV 5/23) |
Tenor
Die Beschwerden der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats (Beteiligte Ziff. 2) sowie der Arbeitgeberin (Beteiligte Ziffer 3) gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 17.04.2024 - 8 BV 5/23 - werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zur Vorlage an das Beschwerdegericht wird auf die Sachverhaltswiedergabe im angegriffenen Beschluss in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerden sind statthaft (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG), sie sind beide form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig.
Es kann offenbleiben, ob die unselbständige Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG überhaupt statthaft ist (dagegen: Toussaint, KostenR, 54. Aufl. 2024, § 33 RVG Rn. 32; BayObLG vom 19.01.1982 - 1 Z 20/81, BayObLGZ 82, 20; dafür: Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 33 Rn. 13). Die "Anschlussbeschwerde" ist jedenfalls als selbständige Beschwerde statthaft und zulässig, weil sowohl die Beschwerdefrist als auch der Beschwerdewert erreicht ist.
2. Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats zutreffend auf EUR 20.000,00 festgesetzt. Eine Einzelbewertung der Anträge ergibt, dass die Anträge Ziffer 1 und 2 jeweils mit EUR 10.000,00 zu bewerten sind, Antrag Ziffer 3 mit EUR 5.000,00 (siehe hierzu unter Ziffer 2.1). Wirtschaftlich (teil-)identisch sind nur die Anträge Ziffer 2 und 3 (siehe hierzu unter Ziffer 2.2).
2.1. Anträge Ziffer 1 und 2: jeweils EUR 10.000,00, Antrag Ziffer 3: EUR 5.000,00
a) Sämtliche Anträge sind unstreitig nichtvermögensrechtlicher Natur. Weitere Ausführungen hierzu sind daher nicht veranlasst. Maßstab für eine Bewertung ist daher § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.
b) Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen des § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen. Der Wert von 5.000,00 Euro stellt dabei einen "Ausgangs"- oder "Anknüpfungswert" dar, von dem ausgehend zu prüfen ist, ob die im konkreten Fall gegebenen wertbestimmenden Faktoren zu einer Erhöhung oder Reduzierung dieses Wertes führen. Dabei sind insbesondere der maßgeblich durch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache bestimmte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber zu berücksichtigen und sind sonstige im Einzelfall wertbildende Umstände ins Auge zu fassen (vgl. z.B. LAG Baden-Württemberg 11.01.2022 - 5 Ta 96/21 - Rn. 10, juris).
c) Nach Ziffer II.5 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 01.02.2024 (NZA 2024, 208 ff.; im Folgenden: "SWK 2024") kann vom doppelten Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG auszugehen sein, wenn der Spruch einer Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung zum Gegenstand hat. Die Streitwertbeschwerdekammer folgt dieser Empfehlung des Streitwertkatalogs aufgrund der großen Bedeutung einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung im Bereich des Streitwertrechts. Da es sich nicht um Regelungen mit Gesetzescharakter, sondern nur um Empfehlungen handelt, ist es entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin unerheblich, wann der Streitwertkatalog in seiner aktuellen Fassung veröffentlicht wurde. Die Regelung in Ziffer II.5 SWK 2024 ist auch sachgemäß. Sie bringt zum Ausdruck, dass eine Verdopplung dann angezeigt sein kann, wenn der Spruch der Einigungsstelle einen besonders bedeutsamen Inhalt hat. Verfahren über die Anfechtung eines Spruchs der Einigungsstelle, der eine Betriebsvereinbarung enthält, ist regelmäßig eine besondere (auch, aber nicht nur wirtschaftliche) Bedeutung, eine besondere Schwierigkeit und ein besonderer Bearbeitungsaufwand immanent.
d) Die Voraussetzungen der Verdopplung des Anknüpfungswerts sind im vorliegenden Fall bei den Anträgen 1 und 2 gegeben, indes ist keine Überschreitung der Verdopplung angezeigt. Die Betriebsvereinbarungen über die Schichtpläne und die Arbeitszeiten betreffen wichtige Regelungsgebiete mit großer Bedeutung und rechtfertigen daher eine...