Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrates bei Steuerung von Arbeitszeitkonten
Leitsatz (redaktionell)
Durch tarifvertragliche Regelung der Steuerung eines Arbeitszeitkontos kann dem Arbeitgeber im gleichen Umfang ein einseitiges Bestimmungsrecht zugewiesen werden, wie das die Betriebsparteien in einer von ihnen zu treffenden Regelung nach § 87 Abs. 1 BetrVG tun können. Ausreichend ist, wenn in der Regelung die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, sich diese auf Grundsätze beschränkt und die Durchführung dem Arbeitgeber überlassen wird.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 26.02.2004; Aktenzeichen 11 BV 15/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 26.02.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob durch einseitige Abweichungen von Dienstplänen durch den Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des antragstellenden Betriebsrates verletzt worden sind.
Bei dem Antragsteller handelt es sich um den Betriebsrat der D. AG, Niederlassung F. (Beteiligte zu 2).
In der Niederlassung F. der Beteiligten zu 2 bestehen Dienstpläne, die den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer genau festlegen. Diese Dienstpläne, die auch für den Bereich der Briefeingangsverteilung (BZE) und der Briefabgangsverteilung (BZA) bestehen, sind unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrat vereinbart worden. Zugrunde liegen der Dienstplangestaltung der Tarifvertrag zur Arbeitszeitgestaltung einschließlich Regelungen zur Arbeitszeit und Flexibilisierung der Arbeitszeit vom 02.04.1998 (zukünftig TV Nr. 37 b) sowie eine Betriebsvereinbarung zu diesem Tarifvertrag zwischen den Beteiligten vom 24.07.1998 (im folgenden BV 1998). Der Tarifvertrag TV Nr. 37 b, der zwischen der D. Gewerkschaft und der D. AG geschlossen worden ist, enthält im zweiten Abschnitt zur Flexibilisierung der Arbeitszeit u. a. folgende Regelungen:
” § 3 – Grundsätze für die Gestaltung der Arbeitszeit
1) Es sind für alle Arbeitnehmer Dienstpläne aufzustellen.
Grundlage für die Verteilung der Arbeitszeit in Dienstplänen ist die tarifvertraglich (§ 13 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 TV Ang/TV Ang-O, § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Arb/TV Arb-O) bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Überschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit werden als nicht zuschlagspflichtige Mehrleistungen, Unterschreitungen als Minderleistungen erfasst.
2) In Organisationseinheiten, in denen Systeme einer gleitenden oder variablen Arbeitszeit Anwendung finden, tritt an die Stelle der dienstplanmäßigen Arbeitszeit eine sogenannte fiktive Regelarbeitszeit.
§ 4 – Einführung von Arbeitszeitkonten
1) Zur Dokumentation der täglichen Abweichungen von den dienstplanmäßigen Arbeitszeiten (Mehr- und Minderleistungen) sind Arbeitszeitkonten IT-gestützt zu führen. Zur Berechnung des täglichen Saldos werden Beginn und Ende der täglichen tatsächlichen Arbeitszeiten, soweit möglich, IT-gestützt erfasst.
…
2) Die Arbeitszeitkonten werden nicht zu bestimmten Zeitpunkten abgerechnet. Im einzelnen persönlichen Arbeitszeitkonto ist die „Nulllinie” innerhalb eines Zeitraums von längstens 18 Monaten mindestens einmal zu berühren.
3) Die maximal zulässige Schwankungsbreite der Abweichungen beträgt jeweils das 3fache der tarifvertraglich (§ 13 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 TV Ang/TV Ang-O, § 5 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 TV Arb/TV Arb-O) bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit.
…
§ 5 – Steuerung der Arbeitszeitkonten
1) Die Arbeitszeitkonten sind nach dem Ampelprinzip zu führen und entsprechend zu steuern. Im „grünen” Bereich liegt eine Schwankungsbreite von bis zum 1fachen der Wochenarbeitszeit, im „gelben” Bereich liegt eine Schwankungsbreite von mehr als dem 1fachen bis zum 2fachen der Wochenarbeitszeit. Der „rote” Bereich beginnt bei einer Über- bzw. Unterschreitung von mehr als dem 2fachen der Wochenarbeitszeit bis zum maximal 3fachen der Wochenarbeitszeit.
2) Das Volumen der Mehr- und Minderleistungen bewegt sich grundsätzlich im „grünen” Bereich.
Soweit keine besonderen Formen der Arbeitszeitgestaltung, z. B. Gruppenarbeit, eingeführt sind, liegt die Steuerung der im „gelben” Bereich befindlichen Arbeitszeitkonten in der Zuständigkeit des Arbeitgebers; der Arbeitnehmer hat jedoch die Möglichkeit, gemäß § 8 und § 9 dieser Regelung einen Zeitausgleich herbeizuführen. Der Arbeitgeber ist gehalten, diese Arbeitszeitkonten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten in den „grünen” Bereich zu steuern. Bei den zu diesem Zweck erforderlichen Personaleinsatzmaßnahmen sind die betrieblichen und persönlichen Interessen gleichgewichtig zu berücksichtigen.
Arbeitszeitkonten, die den „roten” Bereich berühren, sind unabhängig davon, welche Form der Arbeitszeitgestaltung ihnen zugrunde liegt, durch unverzügliche arbeitgeberseitige Personalplanungs- bzw. ...