Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Eingruppierung im Zusammenhang mit einer Neueinstellung. einseitige Änderung der Vergütungsordnung durch den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Soweit im Betrieb des Arbeitgebers eine Vergütungsordnung angewendet wurde, die auf einem im Betrieb des Arbeitgebers anzuwendenden Tarifvertrag beruhte, bedarf die Änderung dieser Vergütungsordnung im Nachwirkungszeitraum nach Kündigung dieses Tarifvertrags auch dann der Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn sich die Änderung darauf beschränkt, dass anstelle der bisher geltenden Altersstufen („Alterssprünge”) mit unterschiedlicher Vergütungshöhe sich die Höhe der Vergütung nach der bisher niedersten Altersstufe ohne Rücksicht auf das tatsächliche Lebensalter des einzustellenden Arbeitnehmers bestimmen soll.
Soweit der Arbeitgeber eine solche Änderung einseitig vornimmt, kann der Betriebsrat seinen Widerspruch gegen die beabsichtigte Eingruppierung darauf stützen, dass eine Eingruppierung nach einem Entlohnungssystem erfolgt, dessen Anwendung gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).
Ob die Tatsache, dass die tarifliche Regelung unter dem Begriff „Eingruppierung” nur die Einreihung unter tätigkeitsbezogene Merkmale versteht und die Einreihung in unterschiedliche Altersstufen im Rahmen einer Regelung bezüglich der Grundvergütungen vorsieht, die nach Lebensaltersstufen zu bemessen ist, der Annahme entgegensteht, auch bei der Einreihung in Lebensaltersstufen handele es sich um eine Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG, bleibt unentschieden.
Normenkette
BetrVG 1972 §§ 99, 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 23.10.1998; Aktenzeichen 4 BV 163/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom23. Oktober 1998 – 4 BV 163/98 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtszug noch über die Frage, ob die seitens des Betriebsrats verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers … zu ersetzen ist. Soweit das Arbeitsgericht im ersten Rechtszug die ebenfalls, verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des fraglichen Arbeitnehmers ersetzt hat, hat der Betriebsrat kein Rechtsmittel eingelegt und ist der Rechtsstreit somit nicht im zweiten Rechtszug angefallen.
Der antragstellende und beschwerdeführende Arbeitgeber ist … … mit bundesweit über 600 Einrichtungen an 300 Orten. Der Beteiligte zu 2 ist der im … mit der Außenstelle Vaihingen gebildete Betriebsrat. Im … werden Maßnahmen im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt. Im Geschäftsjahr 1996 trat ein Defizit von rd. 30 Mio. Mark auf. Maßgeblich dafür war neben anderen, vom Arbeitgeber in der Antragsschrift dargestellten Gründen im Wesentlichen der Rückgang der von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten Maßnahmen.
Um den hieraus folgenden wirtschaftlichen Problemen begegnen zu können, kündigte der Arbeitgeber im September 1997 jeweils zum 31. Dezember 1997 den Manteltarifvertrag Nr. 2 sowie den Tarifvertrag Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag, die er mit der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossen hat. Zuvor hatte der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen gegenüber der ÖTV am 14. Dezember 1996 unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Kündigung des Manteltarifvertrages zum 31. Dezember 1997 verzichtet. Aus Gründen, die der Arbeitgeber in der Antragsschrift ausgeführt hat, die vom Betriebsrat aber mit Nichtwissen bestritten worden sind, hat der Arbeitgeber gleichwohl die Kündigung auch des Manteltarifvertrags Nr. 2 erklärt.
Bei Neueinstellungen ab 1. Januar 1998 wendet der Arbeitgeber die bisher geltenden Tarifverträge weiterhin an, insbesondere also hinsichtlich der Eingruppierung nach bestimmten Tätigkeitsmerkmalen auf Grund des Tarifvertrags Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag, mit Ausnahme jedoch der sog. „Alterssprünge” sowie des „Bewährungsaufstiegs”. Vielmehr wird bei neu eingestellten Arbeitnehmern ungeachtet des Lebensalters stets die niedrigste Lebensaltersstufe zu Grunde gelegt.
Der Arbeitgeber beabsichtigte, den am 28. November 1954 geborenen Arbeitnehmer … als Ausbilder „Trockenbaumonteure” für eine entsprechende, vom Arbeitsamt finanzierte Maßnahme befristet vom 16. Juni 1998 bis zum 31. Juli 2000 unter Einreihung in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 12.1 des gekündigten Tarifvertrags „Tätigkeitsmerkmale” mit Vergütung nach Lebensaltersstufe 21 des Vergütungstarifvertrags einzustellen. Die Differenz zwischen der Vergütung nach dieser Lebensaltersstufe und der Lebensaltersstufe, die einschlägig wäre, wenn die tariflichen Bestimmungen unverändert angewendet würden, erhält der Arbeitnehmer als persönliche Zulage. Der Arbeitgeber unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 04.06.98 (Bl. 39 d.A.), das dem Betriebsrat am 08. Juni 1998 zugegangen...