Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit bei Freistellung eines Betriebsratsmitglieds. Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Übernahme von Schulungskosten als vermögensrechtliche Streitigkeit. Gegenstandswert von 5000 Euro für Freistellung von Arbeitspflicht für Betriebsratsmitglied
Leitsatz (amtlich)
1 Die begehrte Freistellung eines Betriebsratsmitglieds von der Arbeitspflicht im Einzelfall ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit und nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bemessen. Eine Schulungsveranstaltung von fünf Seminartagen ist in der Regel mit dem Anknüpfungswert zu veranschlagen. Bei kürzeren Veranstaltungen ist zeitratierlich zu kürzen.
2 Der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von den ihm durch die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstehenden Kosten (Seminargebühren, Übernachtungs- und Reisekosten) ist vermögensrechtlich und in Höhe der bezifferten Forderung zu bewerten.
Normenkette
RVG §§ 33, 23 Abs. 3 S. 2; BetrVG § 37 Abs. 6; RVG § 33 Abs. 9
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 19.11.2021; Aktenzeichen 9 BVGa 7/21) |
Tenor
- Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 19.11.2021 - 9 BVGa 7/21 - dahingehend abgeändert, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwälte S. von 5.000,00 EUR auf 4.000,00 EUR herabgesetzt wird.
- Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren auf Freistellung eines Betriebsratsmitglieds für eine Schulungsmaßnahme.
Im Ausgangsverfahren begehrte der bei der Arbeitgeberin eingerichtete Betriebsrat von dieser mit am 28.09.2021 bei Gericht eingegangener Antragsschrift im Wege der einstweiligen Verfügung die Freistellung eines namentlich benannten Betriebsratsmitglieds von der Arbeitspflicht für eine viertägige Schulungsmaßnahme "Betriebsverfassungsrecht Teil I." vom 04. bis 07.10.2021.
Mit Vergleich vom 06.10.2021 einigten die Betriebsparteien sich unter anderem auf die Freistellung des namentlich benannten Betriebsratsmitglieds zur Teilnahme an einer solchen Schulungsmaßnahme während der laufenden Amtsperiode und zur Übernahme der anfallenden Schulungskosten durch die Arbeitgeberin.
Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 5.000,00 EUR und einen Vergleichsmehrwert in Höhe der rechnerisch unstreitigen Schulungskosten von 1.165,92 EUR festgesetzt.
Mit der Beschwerde begehrt die Arbeitgeberin eine Herabsetzung des Gegenstandswerts auf 608,32 EUR (= das Bruttogehalt des freizustellenden Betriebsratsmitglieds für vier Arbeitstage), der das Arbeitsgericht nicht entsprochen hat.
II.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist statthaft (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats etwas zu hoch bemessen (1.). Die Höhe des festgesetzten Vergleichsmehrwerts ist hingegen nicht zu beanstanden (2.).
1. Gegenstandswert
a) Mit dem Begehren, das namentlich benannte Betriebsratsmitglied zum Zwecke der Schulungsteilnahme von der Arbeitsverpflichtung freizustellen, weil die Schulung für erforderlich gehalten werde, hat der Betriebsrat einen kollektiven Anspruch geltend gemacht, bei dem letztlich die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats im Streit stand.
b) Dieser kollektive Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung eines bestimmten Betriebsratsmitglieds für Schulungsveranstaltungen ist nichtvermögensrechtlicher Art (erkennende Kammer 18.08.2009 - 5 Ta 56/09 - juris - in Übereinstimmung mit II.9.1 der Empfehlungen der Streitwertkommission im Streitwertkatalog in der überarbeiteten Fassung vom 09.02.2018 ≪im Folgenden: "SWK 2018" [ NZA 2018, 497 ff.]≫).
c) Den Maßstab für den angefallenen kollektiven Sachantrag des Betriebsrats bildet deshalb § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Hiernach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Es ist deshalb an den Wert von 5.000,00 EUR anzuknüpfen und zu prüfen, ob die im konkreten Fall gegebenen wertbestimmenden Faktoren zu einer Erhöhung oder Reduzierung dieses Wertes führen (ausführlich dazu erkennende Kammer 29.01.2016 - 5 Ta 155/15 - juris Rnrn 18 ff.). Dabei sind insbesondere der maßgeblich durch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache bestimmte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angeleg...