Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft der zu ihrer Berufsausbildung in einem Berufsbildungswerk beschäftigten Rehabilitanden
Leitsatz (amtlich)
Rehabilitanden sind zu Berufsausbildung Beschäftigte i. S. des § 5 Abs. 1 BetrVG, wenn sie mit ihrem Einverständnis in einem von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts betriebenen Berufsbildungswerk aufgenommen und ihnen dort entsprechend gemäß § 25 BBiG erlassener Ausbildungsordnungen eine qualifizierte Erstausbildung mit einem anerkannten Berufsabschluß vermittelt wird. Zwischen den Rehabilitanden und der Stiftung kommen privatrechtliche Vereinbarungen über Ausbildungsverhältnisse auch dann zustande, wenn die behinderten Jugendlichen, bei denen die medizinische Rehabilitation abgeschlossen ist, auf Vorschlag des Arbeitsames der Stiftung benannt werden.
Normenkette
BetrVG 1972 § 5 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 118 Nr. 1; AFG §§ 33, 56; Reha AnglG § 11 Abs. 2a; BBiG §§ 25, 48
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Beschluss vom 12.09.1990; Aktenzeichen 8 BV 16/90 HD) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Stiftung Rehabilitation … gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Mannheim, Kammern Heidelberg vom 12. September 1990 – AZ: 8 BV 16/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes der Rehabilitanden des Berufsbildungswerkes im von der Antragstellerin getragenen Rehabilitationszentrum und in Folge davon über die Wirksamkeit der am 9. und 10. Mai 1990 durchgeführten Wahlen zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Die Antragstellerin ist der Rechtsform nach eine Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie unterhält und betreibt Einrichtungen zur beruflichen und medizinischen Rehabilitation Behinderter. Eine solche Einrichtung ist das Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche … In diesem sind ein Berufsbildungswerk, eine Schule für Körperbehinderte und eine Rehabilitationsklinik zusammengefaßt.
Das Berufsbildungswerk (künftig: BBW) mit rund 400 Ausbildungsplätzen ist eine überregionale und außerbetriebliche Ausbildungsstätte zur beruflichen Rehabilitation behinderter Jugendlicher. Dort werden nur solche Jugendliche ausgebildet, bei denen die medizinischen rehabilitativen Maßnahmen abgeschlossen sind. Körperbehinderten Jugendlichen, denen wegen der Art. und Schwere ihrer Behinderung und sekundärer Begleiterscheinungen eine betriebliche Ausbildung nicht zugänglich ist, wird eine qualifizierte Erstausbildung in einer Vielzahl von staatlich anerkannten Berufen in den Berufsfeldern Wirtschaft und Verwaltung, Elektrotechnik/Elektronik sowie Metalltechnik/Konstruktion mit einem anerkannten Berufsabschluß angeboten. Die Ausbildung erfolgt in Werkstätten, Labors und Übungsfirmen und in der angegliederten staatlich anerkannten Berufsschule. Im Rehabilitationszentrum werden ohne die Rehabilitanden rund 970 Arbeitnehmer beschäftigt.
Hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsämtern und den Berufsbildungswerken hat die Bundesanstalt für Arbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke eine Rahmenvereinbarung vom 23. November 1979, nunmehr in der Fassung vom 29. Mai 1984 abgeschlossen. Die Antragstellerin ist der Rahmenvereinbarung nicht beigetreten, hält sich jedoch im wesentlichen daran. Entsprechend der Rahmenvereinbarung erfolgt die Anmeldung des Rehabilitanden bei der Antragstellerin durch das Maßnahmearbeitsamt, gegebenenfalls nach direkter Kontaktaufnahme des Rehabilitanden mit der Antragstellerin. Die Entscheidung über die Aufnahme des Behinderten, wobei eine persönliche Vorstellung des Behinderten vorausgehen kann, wird nach dem Vortrag der Antragstellerin durch den Leiter des BBW getroffen. Die vom Maßnahmearbeitsamt für eine Berufsausbildung angemeldeten Jugendlichen werden von der Antragstellerin mit einem Formularschreiben (Bl. 174 d.A.) aufgefordert, näher bezeichnete Unterlagen (wie Zeugnisse, tabellarischer Lebenslauf, Rückgabe eines ausgefüllten Fragebogens) vorzulegen, um über die Aufnahme entscheiden zu können. Im Falle einer positiven Entscheidung erhalten die Jugendlichen eine schriftliche Zusage der Antragstellerin über die in Aussicht genommene Ausbildung. Nicht aufgenommen werden Jugendliche mit einer geistigen Behinderung, mit aktuellen Psychosen, wenn sie krankenhausbedürftig, schwer erzielbar, drogenabhängig oder verwahrlost sind; ebensowenig solche Jugendlichen, bei denen feststeht, daß sie das Ausbildungsziel nicht erreichen werden oder können. Das Berufsbildungswerk entscheidet während der Berufsausbildung über die Entlassung des Rehabilitanden aus „pädagogischen oder disziplinarischen” Gründen. Es ist hierbei zur Einschaltung des zuständigen Arbeitsamtes verpflichtet. Erhebt ein Auszubildender gegen seine Entlassung Klage, so ist dem zuständigen Arbeitsamt nach der Rahmenvereinbarung der Streit zu verkünden. Rehabilitanden, die das Ausbildungsziel nicht erreicht haben, nämlich die Prüfung nicht besta...