rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensmäßige Behandlung eines verspäteten Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verspätet ist, ist die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung unumgänglich. § 46 a Abs. 6 ArbGG differenziert nicht danach, ob der Einspruch rechtzeitig oder verspätet eingelegt worden ist.

2. Hat das Arbeitsgericht einen verspäteten Einspruch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß als unzulässig verworfen, so ist auf die fristgerechte sofortige Beschwerde der Verwerfungsbeschluß aufzuheben und das Arbeitsgericht anzuweisen, Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

 

Normenkette

ArbGG 1979 § 46a; ZPO § 341 Abs. 2, § 700 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Beschluss vom 29.10.1990; Aktenzeichen 1 Ca 315/90)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 1990 – Az.: 1 Ca 315/90 – aufgehoben. Das Arbeitsgericht wird angewiesen, Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

 

Tatbestand

I.

Mit dem am 11. Mai 1990 zugestellten Mahnbescheid hat die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung eines Werksangehörigenrabatts in Anspruch genommen. Der Vollstreckungsbescheid vom 22. Mai 1990 ist am 25. Mai 1990 zugestellt worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 19. Juni 1990, beim Arbeitsgericht am 20. Juni 1990 eingegangen, ist gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt worden. Mit dem am 2. Juli 1990 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten um Akteneinsicht gebeten. Sie haben daraufhin mit dem am 13. Juli 1990 beim Erstgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut Einspruch eingelegt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind eidesstattliche Versicherungen des Beklagten sowie seiner Lebensgefährtin eingereicht worden. Das Arbeitsgericht hat durch den am 31. Oktober 1990 zugestellten Beschluß vom 29. Oktober 1990 die Einsprüche als unzulässig verworfen. Den Antrag auf Wiedereinsetzung hat es als verspätet und daher als unzulässig erachtet. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 8. November 1990 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er erachtet die Wiedereinsetzungsfrist für gewahrt und hält den Einspruch für begründet.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist an sich statthaft (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 341 Abs. 2 S. 2, 238 Abs. 2 S. 1 ZPO) und in der gesetzlichen Form (§ 569 ZPO) und Frist (§ 577 Abs. 2 S. 1 ZPO) eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Zwar ist die einwöchige Notfrist zur Einlegung des Einspruchs gegen den am 25. Mai 1990 zugestellten Vollstreckungsbescheid nicht gewahrt worden. Das Arbeitsgericht hat jedoch übersehen, daß der verspätete Einspruch nicht ohne mündliche Verhandlung in Anwendung des § 341 Abs. 2 ZPO durch Beschluß als unzulässig verworfen werden durfte. Vielmehr hätte das Arbeitsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen.

2. Nach § 46 a Abs. 1 ArbGG gelten für das Mahnverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die Vorschriften der ZPO über das Mahnverfahren entsprechend, soweit das ArbGG nicht anders bestimmt. Nach § 700 Abs. 1 ZPO steht der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren kann gegen ein Versäumnisurteil nur binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch eingelegt werden (§ 59 ArbGG). Da der Vollstreckungsbescheid am 25. Mai 1990 dem Beklagten persönlich zugestellt worden ist, lief die einwöchige Einspruchsfrist gemäß § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB mit Ablauf desjenigen Tages der folgenden Woche ab, welcher durch seine Benennung dem Tage entspricht, an dem die Zustellung erfolgt ist. Da der Vollstreckungsbescheid am Freitag, den 25. Mai 1990, zugestellt worden ist, endete die Einspruchsfrist mit dem Ablauf des 1. Juni 1990. Der erste Einspruch des Beklagten ist am 20. Juni 1990 beim Arbeitsgericht eingegangen. Er war somit verspätet.

3. Den als verspätet erachteten Einspruch hat das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Alleinentscheidung des Vorsitzenden in Anwendung des § 341 Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen. Dabei hat das Arbeitsgericht übersehen, daß für das Mahnverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die Vorschriften der Zivilprozeßordnung nicht einschränkungslos gelten. Vielmehr sind die Vorschriften der ZPO nur insoweit anzuwenden, als das ArbGG nichts anderes bestimmt. Durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle) vom 3. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3281 ≪3298≫) ist § 46 a in das ArbGG eingefügt worden. In § 46 a Abs. 6 ArbGG ist bestimmt, daß im Falle des Einspruchs Termin nach Abs. 4 bestimmt wird, ohne daß es eines Antrags einer Partei bedarf. Eine Beschränkung d...

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