Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmäßige Behandlung eines verspäteten Einspruchs gegen einen Volltreckungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung ist auch nach der Neufassung des § 46 a Abs. 6 ArbGG durch Art. 3 Nr. 3 b des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes (juris RpflVereinfG) unumgänglich, wenn der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verspätet eingelegt worden ist (im Anschluß an LAG Baden-Württemberg, Beschluß vom 11. Dezember 1990 – 14 Ta 15/90, LAGE § 46 a ArbGG Nr. 2; gegen LAG Baden-Württemberg, Beschluß vom 27. Mai 1993 – 16 Ta 6/93, BB 1993, 1952 –L–). § 46 a Abs. 6 ArbGG differenziert nicht danach, ob der Einspruch rechtzeitig oder verspätet eingelegt worden ist.
Normenkette
ArbGG 1979 § 46a; ZPO § 341 Abs. 2, § 700 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 21.10.1993; Aktenzeichen 23 Ca 10143/93) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 1993 – Az.: 23 Ca 10143/93 – aufgehoben. Die Sache wird an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Mit dem am 18. Juni 1993 durch Niederlegung bei dem Postamt Stuttgart 1 zugestellten Mahnbescheid hat der Kläger, der vom 1. Februar 1992 bis zum 17. April 1993 in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten gestanden hat, diesen auf Zahlung des Lohnes für den Monat April 1993, von Krankengeld für 8 Tage, des Weihnachtsgeldes 1992, des Urlaubsentgelts und des Urlaubsgeldes für 34 Tage aus dem Jahr 1992 sowie auf vermögenswirksame Leistungen für das Jahr 1992 in der Gesamthöhe von DM 24.921,80 nebst 12,5 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheides in Anspruch genommen. Der Vollstreckungsbescheid vom 1. Juli 1993 ist ebenfalls durch Niederlegung bei dem Postamt Stuttgart am 6. Juli 1993 zugestellt worden. Aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigung des VOllstreckungsbescheides hat das Amtsgericht Stuttgart wegen einer Hauptforderung in Höhe von DM 19.921,80 die angeblichen Forderungen des Beklagten gegen die Firma … aus Werk- und Werklieferungsvertrag durch Beschluß vom 31. August 1993 gepfändet. Der Pfändungs- und überweisungsbeschluß ist dem Beklagten am 25. September 1993 zugegangen. Mit dem am 29. September 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 1. Juli 1993 eingelegt und gleichzeitig beantragt, dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Einspruchsfrist zu gewähren. Hinsichtlich des Antrags auf Wiedereinsetzung ist zur Begründung ausgeführt worden, der Beklagte habe weder am 18. Juni noch am 1. Juli 1993 in seinem Briefkasten eine Mitteilung vorgefunden, aus der sich die Tatsache der Niederlegung irgendwelcher Schriftstücke ergeben hätte; auch sonst sei ihm keine Mitteilung zugegangen, daß ein derartiges gerichtliches Verfahren gegen ihn im Gange sei. Zur Glaubhaftmachung hat sich der Beklagte auf seine eigene eidesstattliche Versicherung vom 29. September 1993 und auf die seiner Freundin vom 9. November 1993 berufen. Das Arbeitsgericht hat durch den am 28. Oktober 1993 zugestellten Beschluß vom 21. Oktober 1993 den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 1. Juli 1993 als unzulässig verworfen. Der Beschluß ist durch die Vorsitzende der Kammer allein ohne mündliche Verhandlung erlassen worden. Gegen den genannten Beschluß wendet sich der Beklagte mit seiner am 9. November 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist an sich statthaft (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 341 Abs. 2 S. 2, 238 Abs. 2 S. 1 ZPO) und in der gesetzlichen Form (§ 569 ZPO) und Frist (§ 577 Abs. 2 S. 1 ZPO) eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Zwar ist die einwöchige Notfrist zur Einlegung des Einspruchs gegen den am 6. Juli 1993 ordnungsgemäß durch Niederlegung bei dem Postamt Stuttgart (§§ 208, 182 ZPO) zugestellten Vollstreckungsbescheid nicht gewahrt worden. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Entscheidung über die Anträge des Beklagten habe ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß ergehen können, erweist sich als unzutreffend. Vielmehr hätte das Arbeitsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen und alsdann über die Anträge entscheiden müssen.
2. Nach § 46 a Abs. 1 ArbGG gelten für das Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die Vorschriften der ZPO über das Mahnverfahren entsprechend, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. Gemäß § 700 Abs. 1 ZPO steht der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren kann gegen ein Versäumnisurteil nur binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch eingelegt werden (§ 59 S. 1 ArbGG). Da der Vollstreckungsbescheid am ...