Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen zur namentlichen Bestellung von Kommunikationsbeauftragten. Unbegründete Feststellungsanträge von Betriebsratsmitgliedern zur Unwirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen bei unzureichenden Darlegungen tatsächlicher Anhaltspunkte für einer Verlagerung der Betriebsratstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Handelt es sich bei den Tätigkeiten der in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Kommunikationsbeauftragten nicht um betriebsverfassungsrechtliche (Teil-) Tätigkeiten sondern um eine bloße Aufgabenunterstützung des Betriebsrats ("Unterstützung des Betriebsrats bei der Meinungsbildung"), reicht es für die Begründung der Unwirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse zur namentlichen Bestellung der Kommunikationsbeauftragten nicht aus, wenn Betriebsratsmitglieder der Minderheitenlisten lediglich darlegen, dass durch diese Aufgabenzuweisung Bereiche von (individueller) Betriebsratstätigkeit an "Hilfsfunktionäre" ausgegliedert werden oder dass die Kommunikationsbeauftragten nichts anderes als eine "Dornenhecke" sind, die dem Betriebsrat die Gelegenheit gibt, sich der unmittelbaren Verständigung mit der Belegschaft zu entziehen; zur Begründung der Unwirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse bedarf es der Darlegung tatsächlicher Anhaltspunkte in der Weise, dass etwa konkrete Tätigkeiten von Kommunikationsbeauftragten diese Befürchtungen und Einschätzungen erfüllen und aus Sicht der Beteiligten zum Aufgabenbereich der Kommunikationsbeauftragten tatsächlich gehören.

2. Das Tätigwerden eines Kommunikationsbeauftragten entgegen inhaltlicher Vorgaben der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarungen und Vorstellungen der Betriebspartner im Bereich der Kommunikationsunterstützung führt nicht ohne Weiteres dazu, dass die zugrundeliegenden Betriebsvereinbarungen ganz oder teilweise unwirksam sind.

3. Als bloße "Sachmittel" des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG ist ein Minderheitenschutz in Form der Verhältniswahl nicht notwendig; das fordert weder das Betriebsverfassungsgesetz noch eine Ausprägung des in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Demokratieprinzips.

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 1; BetrVG § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 34 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 2, § 77 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 06.08.2013; Aktenzeichen 16 BV 78/13)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 07.06.2016; Aktenzeichen 1 ABR 30/14)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Antragsteller (Beteiligte Ziffern 1 bis 6) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.08.2013 - Az. 16 BV 78/13 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragsteller zugelassen.
 

Tatbestand

A. Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beschlüsse des Betriebsrats vom 11. April 2013 über die namentliche Bestellung von Kommunikationsbeauftragten für den Betrieb der Arbeitgeberin in S., deren Einsatz und Tätigkeit auf der Grundlage von zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen basiert, wirksam zustande gekommen sind oder nicht.

Der Beteiligte zu 7 (im Weiteren: Betriebsrat) ist der für den Betrieb der Beteiligten zu 8 (im Weiteren: Arbeitgeberin) in S. (sogenannter Betrieb 1), in dem knapp 20.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind, gewählte und aus 43 Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Die Beteiligten Ziffern 1 bis 6 (im Weiteren: Antragsteller) sind Mitglieder dieses Betriebsrats, die nicht der mit deutlicher Mehrheit im Betriebsrat vertretenen IG Metall-Liste, sondern alle Minderheitenlisten angehören.

Im Betrieb 1, wie auch in den anderen Betrieben der Arbeitgeberin, werden für einzelne Betriebsbereiche durch Mehrheitsbeschlüsse des Betriebsrats sogenannte Kommunikationsbeauftragte bestellt, die die Kommunikation zwischen Belegschaft und Betriebsrat gewährleisten und fördern sollen. Der Bestellung von Kommunikationsbeauftragten liegen die Betriebsvereinbarungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat vom 9. September 1997 mit Protokollnotizen vom 9. September 1997, 13. Dezember 1999 und 27. Juni 2003 sowie die Betriebsvereinbarung vom 27. April 1998 mit Protokollnotizen vom 27. April 1998 und 13. Dezember 1999 zu Grunde. Sowohl in der Betriebsvereinbarung vom 27. April 1998 als auch in der vom 9. September 1997 ist jeweils unter Ziffer 1.2 unter der Überschrift "Aufgaben der Beauftragten des Betriebsrats sind u.a." Folgendes geregelt:

"

- Unterstützung des Betriebsrates bei seiner Meinungsbildung

- Verteilung von Informationsmaterial

- Übernahme von konkreten Aufträgen die der Betriebsrat erteilt"

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieser Betriebsvereinbarungen samt Protokollnotizen wird vollinhaltlich auf Bl. 45 bis 53 der Akten-ArbG verwiesen.

Ob die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten, wie sie vom Betriebsrat praktiziert wird, einer Rechtskontrolle standhält, steht seit mehreren Jahren zwischen den Betriebsräten der Minderheitenlisten und dem von den Betriebsräten der Mehrheitsliste dominierten Gremium im Streit.

In einem den Betrieb d...

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