Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Personalplanung. Mitwirkung bei der Bildung von Soll-Entgeltgruppendurchschnitten durch den Arbeitgeber. Umfang des Unterrichtungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Der erstmals im Beschwerdeverfahren beteiligte Gesamtbetriebsrat kann Sachanträge, mit denen er eigene Unterrichtungsansprüche geltend macht, stellen.
2. Die Bildung von Soll-Entgeltgruppendurchschnitten durch den Arbeitgeber kann Personalplanung im Sinne des § 92 Abs. 1 BetrVG sein.
3. Der Unterrichtungsanspruch im Sinne des § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG umfasst auch die Zurverfügungstellung der erforderlichen Unterlagen.
4. Für die auf den Betrieb beschränkte Personalplanung ist nach dem Grundsatz der Zuständigkeitstrennung der Betriebsrat und nicht der Gesamtbetriebsrat zuständig.
Normenkette
BetrVG § 92 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 23.03.2016; Aktenzeichen 29 BV 311/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23. März 2016 - 29 BV 311/15 - abgeändert.
Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Betriebsrat mindestens einmal jährlich vor Durchführung der Umsetzungskonferenzen "Führung und Vergütung" die Unterlagen zur Steuerung der betrieblichen Kennzahlen der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte zur Verfügung zu stellen, bezogen auf die einzelnen E2-Einheiten (Bereiche) des Betriebs D. "Z." und auf die einzelnen Funktionen innerhalb der jeweiligen Bereiche und - soweit Fachketten einbezogen sind - auch darauf, jeweils unter Aufführung der Anzahl der zugeordneten Arbeitnehmer.
- Die weitergehende Beschwerde des Betriebsrats wird unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen zurückgewiesen.
- Die Anträge des Gesamtbetriebsrats werden zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird für alle Beteiligten zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats und des Gesamtbetriebsrats im Bereich der Betriebs- und Personalorganisation.
Der Antragsteller ist der im Betrieb "Z." der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat. Der weitere Beteiligte ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat.
Die Arbeitgeberin ist ein Großunternehmen der Automobilindustrie mit mehreren Betrieben (Standorten) in Deutschland und der Welt. Bei der Arbeitgeberin finden kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg Anwendung. Dazu gehört auch der bei der Arbeitgeberin am 1. Januar 2007 eingeführte Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV).
Die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs der Beschäftigten nach dem ERA-TV richtet sich nach den eingestuften Arbeitsaufgaben, die im Anhang zum ERA-TV dokumentiert sind. In 122 tariflichen Niveaubeispielen werden die Arbeitsaufgaben exemplarisch beschrieben. Die Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe der einzelnen Beschäftigten erfolgt in einem Stufenwertzahlverfahren, in dem bestimmte Arbeitsanforderungen gewichtet und mit Punkten versehen werden. Die Gesamtpunktzahl einer Arbeitsaufgabe wird dann einer von 17 Entgeltgruppen des Tarifvertrages zugeordnet.
Im Betrieb "Z." arbeiten ca. 14.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mit Ausnahme der leitenden Führungskräfte in die Entgeltgruppen 2 bis 17 des Tarifvertrages eingruppiert sind.
Im Betrieb "Z." gibt es unter der Vorstandsebene vier Hierarchieebenen (E1, E2, E3, E4). Auf der Hierarchieebene E1 befinden sich die E1-Leiter (Direktoren), auf der Hierarchieebene E2 ca. 179 Bereichsleiter, auf der E3-Ebene ca. 850 Abteilungsleiter und auf der E4-Ebene ca. 2700 Teamleiter.
Begleitend zur Einführung des ERA-TV wurden bei der Arbeitgeberin mehrere Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen, ua. die "Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem in den Werken und Zentralbereichen der D. AG", neugefasst am 16. September 2015 [sogenannte GBV Vergütungssystem] (Anl. B1, Bl. 270 ff. der zweitinstanzlichen Akte). Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten in den Werken und Zentralbereichen der Arbeitgeberin mit Ausnahme der Führungskräfte der Ebene 1 bis 4. In einer Protokollnotiz zur GBV Vergütungssystem wurde vereinbart, dass die Vergütungsentwicklung der Mitarbeiter zukünftig ganzheitlich in einer Aktion im Führungsprozess diskutiert werden soll (Entwicklung tarifliches Grundentgelt, tarifliches Leistungsentgelt und übertarifliche Entgeltbestandteile). Bei diesem so genannten ganzheitlichen Führungs- und Vergütungsprozess (gFVP) handelt es sich um einen jährlichen vom Personalbereich der Arbeitgeberin gesteuerten Einkommensüberprüfungsprozess (zB gFVP 2011, Anl. K4, Bl. 85 ff. der zweitinstanzlichen Akte).
Erklärtes Ziel des gFVP ist es, die Vergütungsparameter für die Beschäftigten (tarifliches Grundentgelt, tarifliches Leistungsentgelt, übertarifliche Zulage und gegebenenfalls Belastungszulage) im Rahmen des Vergütungssystems und einer jährlichen Einkom...