Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsbeiordnung. offensichtliche Mutwilligkeit. Erfolgsaussicht. maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
Ein Antrag auf PKH u. Anwaltsbeiordnung enthält stets als Minus oder als Hilfsantrag einen Beiordnungsantrag nach § 11a Abs. 1 ArbGG. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Auch im Beschwerdeverfahren können zugunsten des Antragstellers nur Änderungen berücksichtigt werden, die sich bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in der Hauptsache ergeben haben. Neuer Tatsachenvortrag der erst nach diesen Zeitpunkt erfolgt, kann eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht mehr begründen. Dies gilt auch für die Prüfung der offensichtlichen Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung nach § 11a Abs. 2 ArbGG.
Normenkette
ZPO § 114; ArbGG § 11a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 25.01.2010; Aktenzeichen 30 Ca 10497/09) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.01.2010 – 30 Ca 10497/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen, da der Beschluss des Beschwerdegerichts einem weiteren Rechtsmittel nicht unterfällt.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist statthaft; sie ist form-und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht zurückgewiesen. Die Rechtsverfolgung der Klägerin bot nicht nur keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gem. § 114 Satz 1 ZPO, sondern war auch offensichtlich mutwillig im Sinne von § 11a Abs. 2 ArbGG.
1. a) Das Grundgesetz gebietet mit Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG und durch das Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes. Eine vollständige Gleichstellung armer Parteien ist dagegen nicht geboten. Eine unbemittelte Partei braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Daher wurde in § 114 Satz 1 ZPO in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Gewährung von Prozesskostenhilfe von einer hinreichenden Erfolgsaussicht und davon abhängig gemacht, dass sie nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf jedoch nicht dazu dienen, die Sachprüfung in das Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu verlagern. Prozesskostenhilfe darf dann versagt werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Schwierige Rechts- und Tatsachenfragen sind dagegen nicht im Prozesskostenhilfe-, sondern im Hauptsacheverfahren zu klären (ständige Rechtsprechung BVerfG 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – NJW 1991, 413; 13.07.2005 – 1 BvR 175/05 – NJW 2005, 3489).
b) Ist erstinstanzliche Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung beantragt und liegen die objektive Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu prüfen, ob der Anwalt nach § 11a ArbGG beigeordnet werden kann. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung enthält als Minus oder zumindest als Hilfsantrag stets einen Beiordnungsantrag nach § 11a Abs. 1 ArbGG (LAG Köln 05.06.2009 – 4 Ta 135/09 –; LAG Berlin-Brandenburg 11.06.2007 – 15 Ta 1077/07 – LAGE Nr. 7 zu § 114 ZPO 2002 mit weiteren Nachweisen; Natter/Gross-Perschke, ArbGG, § 11a Rn. 9; Germelmann/Matthes/Prütting-Germelmann, ArbGG, 6. Auflage, § 11a Rn. 1). Das Ziel des Antrags ist darauf gerichtet, (auch) die Befreiung der Rechtsanwaltskosten zu erreichen, so dass es keinen Grund gibt anzunehmen, der Antragsteller wolle eine Beiordnung nach § 11a ArbGG nicht in Anspruch nehmen, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind.
Auch nach § 11a Abs. 2 ArbGG kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts aber unterbleiben, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist. Dies ist der Fall, wenn eine Rechtsverfolgung auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erkennbar erfolglos sein muss (Hessisches Landesarbeitsgericht 30.01.2006 – 4 Ta 597/05 –; LAG Düsseldorf 29.10.1986 – 14 Ta 245/86 – LAGE Nr. 4 zu § 11a ArbGG 1979; Germelmann, a. a. O. § 11a Rn. 69).
2. Die von der Klägerin erhobene Bestandsschutzklage war evident aussichtslos und somit offensichtlich mutwillig.
a) Der Klägerin kam kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz zu, denn sie erfüllte offensichtlich die Wartefrist von sechs Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht. Sie war zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nicht einmal drei Monate bei der Beklagten beschäftigt.
b) Die Rüge der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten Künd...