Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtsweg für Kündigungsrechtsstreit einer arbeitnehmerähnlichen GmbH-Geschäftsführerin
Leitsatz (amtlich)
Angestellte Fremdgeschäftsführer einer GmbH ohne weiteres Einkommen sind arbeitnehmerähnliche Selbstständige i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a), § 5 Abs. 1 S. 2; BGB § 611a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 30.11.2017; Aktenzeichen 3 Ca 350/17) |
Nachgehend
Tenor
- Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lörrach vom 30. November 2017, Az. 3 Ca 350/17 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über eine von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung. Gegenstand des vorliegenden Beschlusses ist die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Die Parteien schlossen am 27. April 2016 einen "Dienstvertrag", nachdem die Klägerin ab dem 1. November 2016 als Geschäftsführerin der Beklagten tätig wurde.
Nach den Regelungen dieses Dienstvertrages hat die Klägerin "ihre volle Arbeitskraft den ihr übertragenen Aufgaben zu widmen". Nach § 2 Ziffer 2 des Dienstvertrages richten sich die Rechte und Pflichten der Geschäftsführerin und der Umfang ihrer Entscheidungsbefugnis nach dem bestehenden Gesellschaftsvertrag und den dazu erlassenen Dienstanweisungen, gegebenenfalls auch der zusätzlich erlassenden Geschäftsordnung für die Geschäftsführerin. Nach § 1 Abs. 2 führt die Klägerin die laufenden Geschäfte der Gesellschaft und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich allein. Sie ist nach § 2 Ziffer 3 darüber hinaus an die erlassenen Beschlüsse, Anordnungen und Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden.
Das Jahresgehalt der Klägerin beträgt Euro 175.000,00. Die Beklagte übernimmt die gesetzlichen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Daneben erhält die Klägerin gemäß einer jährlich zu treffenden Zielvereinbarung eine variable Vergütung von Euro 20.000,00 pro Jahr bei 100-prozentiger Zielerreichung. Nach § 11 des Dienstvertrages darf die Geschäftsführerin weder eine andere Erwerbstätigkeit betreiben noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen oder eine andere Tätigkeit ausüben. Die Übernahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit bedarf nach § 11 Ziffer 2 des Vertrages der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
Am 11. Juli 2017 kündigte die Klägerin den Dienstvertrag ordentlich mit Wirkung zum 31. Dezember 2018; die Beklagte ihrerseits kündigte das Dienstverhältnis mit Schreiben vom 31. Juli 2017 fristlos. Zudem wurde die Klägerin ebenfalls am 31. Juli 2017 mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt der Geschäftsführerin abberufen.
Mit ihrer am 17. August 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die ausgesprochene fristlose Kündigung.
Sie beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31. Juli 2017 nicht aufgelöst worden ist.
Die Parteien streiten über den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Die Klägerin hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet. Sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten, denn diese habe ihr bis ins Detail gehende Anweisungen erteilt.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt und dies damit begründet, dass die Klägerin als Geschäftsführerin der Beklagten freie Dienstnehmerin gewesen sei.
Durch den angegriffenen Beschluss vom 30. November 2017 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erachtet und zur Begründung ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin Arbeitnehmerin gewesen sei. Jedenfalls sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen schon deswegen eröffnet, weil die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sei.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 13. Dezember 2017 zugestellten Beschluss legten diese für die Beklagte fristgerecht am 22. Dezember 2017 beim Landesarbeitsgericht sofortige Beschwerde ein, mit der sie eine Verweisung an das Landgericht Waldshut-Tiengen begehrt.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, die Klägerin sei weder Arbeitnehmerin noch arbeitnehmerähnliche Person. Es reiche für die Eigenschaft einer arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit nicht aus, dass die Klägerin von der Beklagten wirtschaftlich abhängig sei, sondern hinzukommen müsse zusätzlich, dass die Klägerin ihrer sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzwürdig sei. Dafür seien die gesamten Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Daran fehle es hier jedoch, wenn der Dienstnehmer Bezüge erziele, wie sie für Geschäftsführer typisch seien und er im wesentlichen ...