Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei vergleichsweiser Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Vergütungszahlung aufgrund Nettolohnvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; dabei ist dasjenige Entgelt zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in dem auf den streitigen Beendigungstermin folgenden Vierteljahr erzielen würde.
2. Zum Arbeitsentgelt gehören alle Beträge, die die Arbeitgeberin aufgrund der Arbeitsleistung oder aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung, etwa im Fall des Annahmeverzugs oder der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle schuldet; insoweit ist auf ein "arbeitsleistungsbezogenes Entgelt" abzustellen, wozu alle Leistungen gehören, auf die der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag Anspruch hat und die arbeitsleistungsbezogen sind.
3. Bei einer im Regelfall vereinbarten Bruttovergütung ist von dieser auszugehen; soweit in arbeitsrechtlichen Regelungen die Begriffe "Bruttobetrag" oder "Nettobetrag" sowie "Abzüge" verwendet werden, wird üblicherweise unter "Bruttobetrag" das Arbeitsentgelt vor den gesetzlichen Abzügen, unter "Abzügen" die gesetzlichen Abzüge, soweit sie im regelmäßigen Abzugsverfahren erfolgen ohne Berücksichtigung sonstiger steuerlicher Vor- und Nachteile, und unter "Nettobetrag" der Bruttobetrag nach Abzug der gesetzlichen Abzüge verstanden, so dass im Falle einer Nettoentgeltvereinbarung die gesetzlichen Abgaben und Beiträge grundsätzlich unabhängig von ihrer Höhe nicht zu Lasten des Arbeitnehmers sondern insgesamt zu Lasten der Arbeitgeberin gehen sollen und der heraufgerechnete Bruttoverdienst somit das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt bildet, von dem die Arbeitgeberin die Steuern und Sozialversicherungsabgaben für den Arbeitnehmer abzuführen hat.
4. Für die Bewertung eines Antrags gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG kommt es allein auf das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Ziel und damit in erster Linie darauf an, von welcher weiteren Dauer und von welcher dabei zu erzielenden Vergütung der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung ausgeht (§ 40 GKG); dieser Wert ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen, wobei das Gericht verfahrensmäßig freier gestellt ist als bei der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO und der Schätzung nach § 287 ZPO und auch nicht an die Parteiangaben gebunden ist.
5. Bei einem bestehenden Streit der Parteien über die Vergütungshöhe erscheint es regelmäßig sachgerecht, auf die tatsächlichen Angaben des Arbeitnehmers abzustellen, soweit diese nicht offensichtlich unrichtig sind, da es um die Bewertung der Interessen der "angreifenden" Partei geht; diese Notwendigkeit ergibt sich auch aus der Kontrollüberlegung, dass für den Fall, dass ein Kläger eine Zahlungsforderung mit der Behauptung geltend macht, monatlich ergebe sich ein bestimmter Vergütungsbetrag, ohne weiteres von diesem auszugehen ist, ohne dass es auf die Schlüssigkeit und/oder Begründetheit dieser Forderung ankommt.
Normenkette
GKG §§ 40, 42 Abs. 2 S. 1, § 63 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 28.12.2015; Aktenzeichen 2 Ca 229/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 28.12.2015 - 2 Ca 229/15 - abgeändert.
Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert wird auf 5.616,46 € festgesetzt.
- Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger gegen eine angebliche fristlose Eigenkündigung vom 10.11.2014, eine fristlose Arbeitgeberkündigung vom 10.12.2014 sowie Anfechtungserklärungen der beklagten Arbeitgeberin vom 17.08.2015 und 18.09.2015, die das Arbeitsverhältnis mit rückwirkender Kraft zum Zeitpunkt der von der Beklagten behaupteten Einstellung (29.10.2014) vernichten sollten. Der Kläger behauptete einen Arbeitsbeginn bereits am 15.09.2014 und begehrte Entgeltfortzahlung für 6 Wochen ab 01.11.2014 in Höhe von 1.400,00 € netto (1.000,00 € netto pro Monat - die Beklagte behauptete eine Vereinbarung in Höhe von 1.000,00 € brutto pro Monat - mal 42 Tage geteilt durch 30 Tage pro Monat) sowie Vergütungsabrechnungen für September bis November 2014 mit der von der Beklagten bestrittenen Behauptung, vom 15.09. - 03.11.2014 jeweils 250,00 € in bar übergeben erhalten zu haben.
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich, wonach zwischen den Parteien vom 01.10. - 10.11.2014 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe und die Monate Oktober und November 2014 auf der Basis von 1.000,00 € netto bzw. 250,00 € netto jeweils zuzüglich Steuern und Sozialversicherung abgewickelt würde...