Entscheidungsstichwort (Thema)
nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage. Wenn Mitarbeiter der Einzelgewerkschaft die Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig an die „DGB-Rechtsschutz GmbH” weiterleitet. Verschulden der Einzelgewerkschaft ist trotz bestehender „Zusammenarbeitsvereinbarung” zwischen Einzelgewerkschaft und GmbH nicht über § 85 Abs 2 ZPO zurechenbar. Einzelgewerkschaft ist nicht einem Korrespondenzanwalt vergleichbar entgegen BGH 10-01-2002, Az: III ZR 62/01. Einzelgewerkschaft. Verschulden. Zurechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Leitet ein Mitarbeiter der Einzelgewerkschaft eine Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig an die DGB-Rechtsschutz GmbH weiter, so ist dieses Verschulden trotz bestehender Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen der Einzelgewerkschaft und der DGB-Rechtsschutz GmbH nicht über § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar.
2. Eine Einzelgewerkschaft ist einem Korrespondenzanwalt nicht vergleichbar (gegen BGH, Urteil v. 10.01.2002 – III ZR 62/01).
Normenkette
KSchG § 5; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Beschluss vom 24.09.2004; Aktenzeichen 9 Ca 213/04) |
Tenor
1.Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird derBeschluss des Arbeitsgerichtes Mannheim vom24.09.2004 – Az.: 9 Ca 213/04 – abgeändert.
2.Die Kündigungsschutzklage vom 07.05.2004 – betreffend die Kündigung vom 28.11.2003 – wird nachträglich zugelassen.
Gründe
I.
Von der erneuten Darstellung des Sachverhaltes wird abgesehen und auf die entsprechenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichtes verwiesen.
Ergänzend wird angemerkt:
In der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Peter E., Gewerkschaftssekretär, vom 14.05.2004 lautet es:
”… am 05.12.2003 suchte mich Frau M. L. im Büro auf. Ihr war gekündigt worden. Ich stellte ihre Mitgliedschaft bei unserer Organisation fest und erfasste die Daten in einem dafür vorgesehenen Formular. Ich trug als Klagfrist den 19.12.2003 ein. Ich sagte Frau L. mündlich zu, dass ich die Sache rechtzeitig an die zuständige DGB-Rechtsschutz GmbH weiterleiten würde, sie aber von uns hören werde, was einige Zeit dauern werde …”.
Die mit Schriftsatz vom 25.05.2004 vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Klägerin ohne Datum enthält folgende Angaben:
”… unmittelbar nach Erhalt der Kündigung vom 28.11.2003 suchte ich meine Gewerkschaft auf, weil ich mich gegen die Kündigung wehren wollte. Mir wurde gesagt, es werde eine Kündigunsschutzklage erhoben und man werden sich wieder bei ihr (Anm. des Gerichtes: richtigerweise wohl: „bei mir”) melden, was aber einige Zeit dauern könne. Darauf habe ich mich verlassen…”.
Die fristgerecht eingelegte und ausgeführte sofortige Beschwerde ist begründet.
1.
Die am 11.05.2004 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage betreffend die am 29.11.2003 zugegangene Kündigung der Beklagten vom 28.11.2003 ist verspätet erhoben worden. Die einzuhaltende 3-wöchige Klagfrist war bereits mit Ablauf des 22.12.2003 abgelaufen.
Der gemäß § 5 KSchG zusammen mit der Klage gestellte Antrag auf nachträgliche Zulassung ist rechtzeitig binnen zweier Wochen ab Behebung des Hindernisses anhängig gemacht worden, § 5 Abs. 3 KSchG. Das Hindernis lag in der Unkenntnis der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten von der Versäumung der 3-wöchigen Klagfrist. Dieses Hindernis endete am 30.04.2004 mit Entdeckung der Fristversäumung. (Auf den Umstand, ob das Hindernis – nämlich die Unkenntnis der Klägerin – selbst verschuldet war, kommt es für die Frage der Einhaltung der 2-Wochen-Frist entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten angesichts des eindeutigen Wortlautes von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht an.)
2.
Die Klägerin war trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage rechtzeitig zu erheben, § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG.
a.
Die Klägerin selbst trifft kein Verschulden. Wegen der Zusicherung des politischen Gewerkschaftssekretärs, Herrn E., vom 05.12.2003 durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass die Klageunterlagen, welche sie an diesem Tage überreicht hatte, rechtzeitig innerhalb der 3-Wochen-Frist an die DGB-Rechtschutz GmbH weitergereicht und dass deren juristische Mitarbeiter die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht anhängig machen würden.
Die Beklagte wendet in diesem Zusammenhang ein, die Klägerin hätte allenfalls für die Dauer der Weihnachtsfeiertage und der anschließenden üblichen Behörden- und Betriebsruhe „zwischen den Jahren” davon ausgehen dürfen, dass bis dahin mit einer Terminsnachricht durch das Gericht oder einer entsprechenden Mitteilung durch die Rechtsschutz-GmbH nicht gerechnet werden könne. Danach hätte sie sich allerdings um ihre Rechtsangelegenheit kümmern müssen; sie hätte nicht bis Ende Februar, als sie telefonisch bei der Gewerkschaft ver.di nachfragte und insbesondere nicht bis Ende April, als sie wegen eines Termins nachsuchte, zuwarten dürfen. Die Rechtsansicht, insoweit treffe die Klägerin ein eigenes Verschulden, teilt das Beschwerdegericht nicht. Der Klägerin ist nämlich im Zusammenhang mit der Erle...