Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsmehrwert der Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses in einem Vergleich
Leitsatz (amtlich)
Die bloße Nichterfüllung eines Zeugnisverlangens begründet weder einen "Streit" noch eine "Ungewissheit" im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB.
Normenkette
GKG § 63 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 02.02.2017; Aktenzeichen 1 Ca 244/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 02.02.2017 - 1 Ca 244/16 - dahingehend abgeändert, dass neben dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert in Höhe von 600,00 € ein Vergleichsmehrwert nicht festzusetzen ist.
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zur Vorlage an das Beschwerdegericht wird auf die Sachverhaltswiedergabe im angegriffenen Beschluss in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Wiedergabe des Sachverhalts abgesehen, da der Beschluss des Beschwerdegerichts einem weiteren Rechtsmittel nicht unterfällt.
II.
Die Beschwerde des Beklagten ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert zutreffend auf 600,00 € festgesetzt. Insoweit ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts im Wertfestsetzungsbeschluss vom 02.02.2017 (Bl. 76 der Akte) in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 14.03.2017 (Bl. 83 f. der Akte) beizutreten (1.). Allerdings hat das Arbeitsgericht zu Unrecht einen Vergleichsmehrwert festgesetzt. Dieser war auf die Beschwerde hin zu streichen (2.).
1. Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert
Die Bemessung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts auf 600,00 € ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht dem Nennwert der eingeklagten Forderung (arg. § 61 Satz 1 GKG).
2. Kein Vergleichsmehrwert
a) Ein Vergleichsmehrwert kommt nur bei Vorliegen einer der in § 779 Abs. 1 und 2 BGB genannten drei Alternativen hinsichtlich des mit verglichenen, bisher nicht streitgegenständlich gewesenen Gegenstandes in Betracht (erkennende Kammer 14. November 2013 - 5 Ta 135/13 - juris - in Übereinstimmung mit I.22.1 Satz 1 der Empfehlungen der Streitwertkommission im Streitwertkatalog in der überarbeiteten Fassung vom 05.04.2016 ≪im Folgenden "Streitwertkatalog 2016" [NZA 2016, 926 ff.]≫).
aa) § 779 Abs. 1 und 2 BGB erfordert die Mitwirkung bei einem Vertrag, durch den
- der Streit oder
- die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder
- die Unsicherheit über die Verwirklichung eines Anspruchs
beseitigt wird (erkennende Kammer 1. Juli 2010 - 5 Ta 123/10 -; 24. Juli 2011 - 5 Ta 101/11 - jeweils juris in Übereinstimmung mit I.22.1 und I.22.2 des Streitwertkatalogs 2016).
bb) Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts dem Grunde nach kommt es nicht auf die Werthaltigkeit des Inhalts der nicht streitgegenständlich gewesenen Gegenstände, sondern nur darauf an, ob über deren - nunmehr geregelten - Inhalt selbst Streit oder eine Ungewissheit bestanden hat (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - juris- in Übereinstimmung mit I.22.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2016).
cc) (Übliche) Regelungen im Rahmen der Gesamtabwicklung eines Arbeitsverhältnisses, wodurch erst Leistungs- und/oder Verhaltenspflichten neu begründet oder Feststellungen getroffen werden, lösen ohne Vorliegen einer der drei in § 779 BGB genannten Alternativen keinen Vergleichsmehrwert aus. Diese stellen lediglich Komponenten des "Gesamtpreises" für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Dass hierüber im Verhandlungsstadium Uneinigkeit bestanden hat, begründet keinen Vergleichsmehrwert. Ein solcher hätte einen Streit oder eine Ungewissheit über diese Gegenstände auch außerhalb des anhängigen Rechtsstreits vorausgesetzt (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - juris - in Übereinstimmung mit I.22.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2016).
dd) Typischerweise wird das Merkmal der "Ungewissheit" insbesondere bei folgenden Konstellationen in Betracht kommen: Vereinbarung
- einer Vertragsbeendigung im Rahmen eines Streits über die Berechtigung abgemahnter Leistungs- und/oder Verhaltensmängel
→ (latente) Fortbestandsgefährdung (erkennende Kammer 26. Oktober 2012 - 5 Ta 166/12 - juris - in Übereinstimmung mit I.22.1.2 des Streitwertkatalogs 2016)
- eines "guten"/"sehr guten" Zeugnisses im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens, wenn der Kündigung Leistungsmängel und/oder Fehlverhalten zugrunde liegen
→ Unsicherheit bezüglich der Qualität des Zeugnisses (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - juris - in Übereinstimmung mit I.22.1.3 des Streitwertkatalogs 2016)
ee) Ergeben sich aus den Akten (z.B. durch schriftsätzliches Vorbringen oder vorgelegten außergerichtlichen Schriftwechsel) und/oder aus der mündlichen Verhandlung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine der drei Alternativen des § 77...