Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus erstinstanzlichem Weiterbeschäftigungstitel. Unbegründeter Antrag der Arbeitgeberin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei erneuter Kündigung innerhalb der Berufungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Arbeitgeber geltend, dass der erstinstanzlich ausgeurteilte Weiterbeschäftigungsanspruch durch eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochene neue Kündigung entfallen ist, so kommt im Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG eine analoge Anwendung von § 769 ZPO durch das Berufungsgericht nicht in Betracht, wenn die Folgekündigung noch innerhalb der Berufungsfrist ausgesprochen wird.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung aber vor Ablauf der Berufungsfrist bereits unbeschränkt Berufung eingelegt hatte, wenn der Ausspruch der Folgekündigung zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung bereits beabsichtigt war.
3. Der Arbeitgeber hat sich in diesen Fällen ohne Not der Wahl begeben, ob er auf die Berufung gegen den Weiterbeschäftigungsausspruch verzichtet und die Einwendung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage mit der Möglichkeit eines Schutzantrages nach 769 ZPO geltend machen will oder ob er die Berufung auch auf den Weiterbeschäftigungsantrag erstreckt.
Normenkette
ArbGG § 62 Abs. 1 S. 3; ZPO § 707 Abs. 1, § 719 Abs. 1, §§ 767, 769
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 17.11.2015; Aktenzeichen 14 Ca 196/15) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus der Ziffer 2 des Urteils des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg vom 17. November 2015 - 14 Ca 196/15 - mit sofortiger Wirkung vorläufig einzustellen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beklage begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungstitel.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17. November 2015 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Mai 2015 nicht aufgelöst worden ist und hat die Beklagte zudem verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei unwirksam, da es ihr zuzumuten gewesen sei, den Kläger bis zum Ablauf einer fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei unwirksam, denn der Kläger genieße als nachgerücktes Ersatzbetriebsratsmitglied besonderen Kündigungsschutz für die Dauer eines Jahres nach dem Ende seiner letzten Tätigkeit als Ersatzmitglied am 16. Dezember 2014.
Das Urteil wurde der Beklagten am 23. November 2015 zugestellt. Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, dass sie ihn nicht weiter beschäftigen werde, beantragte der Kläger am 7. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Über den Antrag ist bislang nicht entschieden. Gegen das Urteil legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2015, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, vollumfänglich Berufung ein. Nachdem aus Sicht der Beklagten der nachwirkende Kündigungsschutz des Klägers mit Ablauf des 16. Dezember 2015 geendet hatte, kündigte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - am 22. Dezember 2015 das Arbeitsverhältnis erneut ordentlich. Sie stützt die Kündigung im Wesentlichen auf den Sachverhalt, den sie zur Begründung der Kündigung vom 13. Mai 2015 angeführt hatte.
Mit einem am 30. Dezember 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt die Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel vorläufig einzustellen.
Zur Begründung führt sie aus, der Anspruch auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ergebe sich bereits aus § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO. Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegte Berufung habe Aussicht auf Erfolg, was bei der Prüfung des nicht zu ersetzenden Nachteils zu berücksichtigen sei. Das Arbeitsgericht sei bei der Interessenabwägung rechtsfehlerhaft zum Ergebnis gekommen, es sei ihr zuzumuten, den Kläger bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Im Falle der Weiterbeschäftigung des Klägers stünde die Reputation der Beklagten in Rede, was auch zu Auftragsverlusten führen könne. Darüber hinaus ergebe sich der Anspruch aus § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. § 769 ZPO. Da nach Einlegen der Berufung das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO entfalle, müsse sie in diesem Fall die Möglichkeit haben, nachträglich gegen den Anspruch selbst entstandene, nicht präkludierte Einwendungen für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung vorzubringen. Die nach Ablauf des Nachwirkungszeitraums am 22. Dezember 2015 ausgesprochene ordentliche Kündigung sei wirksam.
Der Kläger tritt dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstrec...