Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Gleitzeitkontoauszüge, die der Arbeitgeber in Vollzug einer Betriebsvereinbarung erstellt und die er als Kontrollinstrument verwendet, ob sich die Mitarbeiter gemäß ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und gemäß den Regelungen der Gleitzeitvereinbarung verhalten, sind dem Betriebsrat auf Verlangen zur Verfügung zu stellen, damit dieser sein Überwachungsrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausüben kann.
Der Beschluß wurde beiden Parteivertretern am 10.05.1994 zugestellt.
Normenkette
BetrVG 1972 § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Hs. 1, § 92 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. August 1993 – Az.: 3 BV 74/93 – teilweise abgeändert:
Der Firma wird aufgegeben, dem Betriebsrat für die Monate des Jahres 1993 und zukünftig für die Geltungsdauer der am 1. Juli 1992 in Kraft getretenen
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, den antragstellenden Betriebsrat monatliche Aufsteilungen hinsichtlich der im Vormonat erfaßten Anwesenheitszeiten, aber nicht bezahlten Arbeitszeiten zur Verfügung zu stellen.
Der Antragsteller vertritt die am Standort … der Muttergesellschaft, der … derzeit noch etwa 1.700 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Er besteht aus 19 Mitgliedern, von denen vier freigestellt sind.
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben die am 1. Juli 1992 in Kraft getretene „Betriebsvereinbarung, über die gleitende Arbeitszeit für die Mitarbeiter der … (künftig: BV zur GLAZ) (Bl. 9-14 d.A.) abgeschlossen, die frühestens zum 31. Dezember 1996 gekündigt werden kann. Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung ist die Protokollnotiz vom 22. Juni 1992 (Bl. 15 u. 16 d.A.). In der BV ist u. a. geregelt:
III. Gleitzeitsaldo
Der Abrechnungszeitraum für das Zeitkonto ist der Kalendermonat.
Die monatliche Sollarbeitszeit kann unter Berücksichtigung eines Gleitzeitguthabens/Gleitzeitdefizits aus dem Vormonat um bis zu 30 Stunden überschritten bzw. um bis zu 15 Stunden unterschritten werden. Dieses so entstandene Gleitzeitguthaben/Gleitzeitdefizit wird auf den Folgemonat übertragen.
Überschreitet der Mitarbeiter in der monatlichen Abrechnung den Saldo um mehr als 30 Stunden, so ist der Gleitzeitübertrag auf den Folgemonat auf 30 Stunden begrenzt. Die darüberhinaus geleisteten Stunden verfallen.
…
VII. Zeiterfassung
1. Die Zeiterfassung wird über Ausweisleser mit Werksausweisen vorgenommen.
2. Jeder Mitarbeiter erhält für einen Abrechnungszeitraum (Kalendermonat) 2 EDV-ausgedruckte Zeitkontoauszüge.
…
IX. Kontoführung
Für jeden Mitarbeiter wird in der Personalabteilung ein Zeitkonto geführt. Der Personalbereich veranlaßt die Prüfung der Richtigkeit der gem. VII vorgenommenen Änderungen.
Das bei der Arbeitgeberin derzeit zur Anwendung kommende EDV-Programm weist im persönlichen Gleitzeitkontoauszug die insgesamt durch Stempelung erfaßten Anwesenheitszeiten aus sowie die Zeiten, die gem. der BV zur GLAZ vergütungsrechtlich zu berücksichtigen sind. Die Zeiten, die aufgrund der Regelung unter III Abs. 4 Satz 2 BV zur GLAZ verfallen, werden nicht als Saldo gesondert ausgewiesen. Darüber hinaus weist der persönliche Gleitzeitkontoauszug über einen Schlüssel alle Fehlzeiten und ihre Ursachen aus (vgl. Bl. 30 d.A.).
Die Beteiligten streiten seit Jahren darum, ob die Arbeitgeberin die nunmehr im vorliegenden Beschlußverfahren geltend gemachte Verpflichtung trifft. Mit dem am 05. April 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 31. März 1993 ist das Beschlußverfahren eingeleitet worden. Der Betriebsrat hat in der Sitzung vom 08. Juni 1993 die Antragsschrift mit der Interpretation gebilligt, daß ihm die beantragten Mitarbeiterdaten ohne Namensnennung überlassen werden.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin nehme die Arbeitsleistung von Arbeitnehmern in bestimmtem Umfang entgegen, bezahle sie aber nicht. Dies geschehe, indem die regelmäßige Arbeitszeit unter Ausschöpfung des Gleitzeitrahmens nach der BV zur GLAZ und die ausdrücklich angeordneten überstunden überschritten würden. Es sei zu befürchten, daß Arbeitnehmer in Zeiten des Arbeitsplatzabbaus und beim Verbleib des vorhandenen Arbeitsvolumens möglicherweise überstunden aufgrund der Gleitzeitregelung verfallen ließen. Zu seiner Überwachungsaufgabe gehöre die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Arbeitszeit Vorschriften und die Durchführung der BV zur GLAZ. Im Rahmen der Personalplanung sei von den Betriebspartnern übermäßig geleistete Arbeit selbst dann in die Überlegung einzubeziehen, wenn diese nicht gegen irgendwelche Bestimmungen verstoße.
Er, der Betriebsrat, habe keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, daß die Behauptung der Arbeitgeberin, sie erstelle für eigene Zwecke kein Saldo der erfaßten Anwesenheitszeiten, aber nicht bezahlten Arbeitszeiten, zu bezweifeln. Er benötige jedoch eine solche Saldoaufst...