Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldhafte Versäumung der Berufungsfrist bei unvollständigen Angaben zur Einkommens- und Vermögenslage im Prozesskostenhilfeverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO) für die Einlegung einer Berufung fängt nur dann erst mit der Zustellung des die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses an zu laufen, wenn der Antragsteller vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste.
Normenkette
ZPO § 117 Abs. 2 S. 1, § 234 Abs. 1, § 522 Abs. 1; ArbGG § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
AG Ulm (Entscheidung vom 12.09.2014; Aktenzeichen 3 Ca 555/13) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 12. September 2014 - 3 Ca 555/13 - wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags vom 20. April 2015 als unzulässig verworfen.
II.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Frage der Beendigung des zwischen ihnen mit Wirkung vom 16. November 2009 begründeten Arbeitsverhältnisses, Zeugnisansprüche und Schmerzensgeld wegen Nichtbeschäftigung des Klägers.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. September 2014, dem Kläger am 4. Oktober 2014 zugestellt, abgewiesen.
Der Kläger beantragte am 4. November 2014 "unter Bezugnahme auf die PKH-Unterlagen der ersten Instanz (es ist keine Besserung der Lage eingetreten)", ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. In seiner erstinstanzlich eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hatte der Kläger in der Rubrik G bei "Sonstige Vermögenswerte" "Ja" angekreuzt und zur näheren Bezeichnung angegeben: "Ansprüche gegen Arbeitgeber, die aber erst gerichtliche Durchsetzung erfordern". In der Rubrik I "Sonstige Zahlungsverpflichtungen" hatte er vermerkt: "Angeblich ca. 50.000,00 € Mietschulden mit Zinsen, bin derzeit zahlungsunfähig, weitere Schulden, die in ihrer Gesamtheit derzeit nicht überschaubar sind". In der Rubrik H waren außer dem Hinweis "Die Mietschuld kann derzeit nicht getilgt werden" keine Eintragungen vorhanden, insbesondere ergab sich nicht, welchen Wohnraum der Kläger als Mieter oder Eigentümer bewohnt.
Mit Verfügung vom 7. November 2014 (Bl. 10 der LAG-Akte) wurde dem Kläger unter Hinweis darauf, dass sein PKH-Antrag ansonsten zurückgewiesen würde, aufgegeben, bis 1. Dezember 2014 eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Daraufhin ging am 1. Dezember 2014 beim Landesarbeitsgericht eine entsprechende Erklärung des Klägers ein, in der dieser in der Rubrik G unter 6. "Sonstige Vermögenswerte" "Ja" angekreuzt und vermerkt hatte: "Illiquide Ansprüche, insbesondere auf Auslagenersatz (= rein durchlaufender Posten, da Kosten ja vorher angefallen sind)". Einen Verkehrswert hierfür gab er nicht an und nahm auch in den Rubriken H und I keine Eintragungen vor. In seinem Anschreiben (Bl. 13 der LAG-Akte) wies der Kläger noch darauf hin, dass er am 28. Oktober 2014 wieder die gerichtliche Vermögensauskunft (Offenbarungseid) abgeleistet habe.
Am 5. März 2015 ergingen an den Kläger, der auch Kläger in dem am gleichen Tag vor der erkennenden Kammer mündlich verhandelten Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 3 Sa 46/14 war, folgende Auflagen:
"Bezugnehmend auf die Erörterungen in der heutigen mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits 3 Sa 46/14 wird dem Antragsteller aufgegeben, hinsichtlich G.6. seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Aufstellung sämtlicher derzeit bestehender von ihm sogenannter "illiquider Ansprüche" einzureichen. Gibt es titulierte Forderungen oder sonstige gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemachte Ansprüche gegenüber Dritten? Wenn ja, gegen wen und in welcher Höhe und aus welchem Rechtsgrund? Warum sind diese "illiquide"?
Ferner möge er auflisten, welche baren oder unbaren Zuwendungen er von wem in welcher Höhe seit 01.10.2014 und aus welchem Rechtsgrund erhalten hat. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch sämtliche vom Antragsteller als "Auslagenersatz" qualifizierten geldwerten Zuwendungen anzugeben sind (also zum Beispiel Zweck: Fahrtkostenersatz, Höhe: ... €, Fahrt am (Datum) von ... nach ..., Kilometerzahl oder Kosten einer Fahrkarte, Anlass, zahlende Stelle, Höhe abzuziehender eigener Aufwendungen). Die Frage, ob es sich jeweils um Auslagenersatz handelt, ist eine Rechtsfrage, die das Gericht klärt, sobald die entsprechenden Angaben vorliegen.
Ferner möge der Antragsteller die bisher unterlassene Angabe zu seiner Wohnsituation machen (Rubrik H der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse).
Da dem Vorsitzenden nunmehr aus dem Verfahren 3 Sa 46/14 bekannt ist, dass der Kläger im Jahr 2008 einen Abfindungsbetrag von 56.000,00 € erhalten hat, den er laut seiner dortigen An...