Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Erstreckung auf Vergleichsmehrwert. Konkludenter Antrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erstrecken sich innerhalb des Rechtszugs i.S.v. § 119 ZPO ohne Weiteres auf die Kosten eines Prozessvergleichs, sofern er sich auf den Streitgegenstand des Rechtsstreits beschränkt. Umfasst er weitere Gegenstände, die zu einem Vergleichsmehrwert führen, so ist hierfür ein entsprechender Antrag erforderlich, über den ggf. eine gesonderte Bewilligung von Prozesskostenhilfe herbeigeführt werden kann.
2. Der für die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen Vergleichsmehrwert erforderliche Antrag kann auch konkludent gestellt werden.
Normenkette
ZPO § 114 ff., §§ 119, 321 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Beschluss vom 22.11.2001; Aktenzeichen 6 Ca 551/01) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm – Kammern Ravensburg – vom 22.11.2001 – 6 Ca 551/01 – teilweise abgeändert:
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert des am 06.11.2001 protokollierten Vergleichs bewilligt und Herr Rechtsanwalt …, als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Der Kläger hat derzeit keine Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten.
2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 124,55 EUR fest – gesetzt.
3.Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2, Abs. 3 ZPO n.F. ZPO abgesehen, da der Beschluss des Beschwerdegerichts einem weiteren Rechtsmittel nicht unterfällt.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist im Streitfall von einem vor Abschluss der Instanz konkludent gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert des am 06.11.2001 protokollierten Vergleichs auszugehen, dem aus denselben Gründen wie demjenigen des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 22.11.2001 zu entsprechen war. Der angegriffene Beschluss war deshalb teilweise abzuändern.
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erstrecken sich innerhalb des Rechtszuges i.S. von § 119 ZPO ohne W eiteres auf die Kosten eines Prozessvergleichs, sofern er sich auf den Streitgegenstand des Rechtsstreits beschränkt. Umfasst er weitere Gegenstände, die zu einem Vergleichsmehrwert führen, so ist hierfür ein entsprechender Antrag erforderlich, über den ggf. eine gesonderte Bewilligung von Prozesskostenhilfe herbeigeführt werden kann (herrschende Meinung, vgl. LAG Baden -Württemberg, Beschluss vom 21.09.1988 – 1 Ta 66/88 –, OLG Bamberg, Beschluss vom 19.11.1985 – 2 WF 245/85 – JurBüro 1986, 606, Wax in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 119 Rnr. 24 m.w.N.).
2. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor. Zwar fehlt es an einem ausdrücklichen Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert. Jedoch ist von einem konkludent gestellten auszugehen. Dies ergibt die Auslegung des bereits in der Klage angebrachten PKH-Antrags und der weitere Verlauf des Verfahrens.
a) Bei der Auslegung des PKH-Antrags ist zu berücksichtigen, dass eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, im Zweifel Prozesskostenhilfe für die gesamte Instanz erstrebt (Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 114 Rnr. 14 m.w.N.). Denn es ist, wenn nicht im Einzelfall besondere Anhaltspunkte vorliegen oder Änderungen hinsichtlich der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen eingetreten sind, nicht ersichtlich, weshalb eine Partei trotz Unvermögens i.S. der §§ 114 f. ZPO, die Kosten der Prozessführung vollständig zu tragen, für einzelne Verfahrens- oder Vergleichsgegenstände keine Prozesskostenhilfe begehren sollte. Deshalb ist ein Prozesskostenhilfeantrag in diesem Sinne weit auszulegen. So kann ein unbegründeter PKH-Antrag für das eigene Scheidungsbegehren als Antrag auf Bewilligung für die Verteidigung gegen das Scheidungsbegehren des anderen Ehegatten aufzufassen sein (OLG Hamburg FamRZ 1983, 1133). Reicht ein Rechtsanwalt einen Antrag ein, so beantragt er zugleich konkludent, ihn beizuordnen (OLG Hamm JurBüro 1978, 1565; OLG Düsseldorf MDR 1981, 502; LAG Bremen Rpfleger 1986, 279). Ebenso kann es sich bei einer Klagerweiterung vor oder nach bewilligter Prozesskostenhilfe verhalten (LAG Düsseldorf JurBüro 1986, 609) oder bei einem Prozes svergleich, der über den gerichtlichen Streitgegenstand hinausgeht, zumal, wenn das Gericht ihn angeregt oder befürwortet hatte (LAG Köln, Beschluss vom 10.12.1984 – 8 Ta 175/84 – EzA Nr. 7 zu § 127 ZPO mit Anmerkung Schneider; Beschluss vom 28.02.1990 – 10 Ta 287/89 – EzA Nr. 22 zu § 127 ZPO; Arbeitsgericht Bochum AnwBl 1984, 624; Zöller-Philippi a.a.O. § 114 Rnr. 14).
Schneider führt hierzu in seiner Anmerkung z...