Entscheidungsstichwort (Thema)

konkludenter Antrag auf Erstreckung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert eines Vergleichs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erstrecken sich innerhalb des Rechtszugs i.S.v. § 119 ZPO ohne weiteres auf die Kosten eines Prozessvergleichs, sofern er sich auf den Streitgegenstand des Rechtsstreits beschränkt. Umfasst er weitere Gegenstände, die zu einem Vergleichsmehrwert führen, so ist hierfür ein entsprechender Antrag erforderlich, über den ggf. eine gesonderte Bewilligung von Prozesskostenhilfe herbeigeführt werden kann.

2. Es besteht keine Hinweis- oder Aufklärungspflicht des Gerichts i.S.v. § 139 ZPO auf einen fehlenden Antrag, wenn über einen gestellten Prozesskostenhilfeantrag bereits vollumfänglich entschieden und dieser Beschluss dem PKH-Antragsteller auch bereits zugegangen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 119, 139 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Beschluss vom 02.10.2009; Aktenzeichen 1 Ca 87/09)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 02.10.2009 – 1 Ca 87/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist der vom Arbeitsgericht abgelehnte Antrag des Klägers, die ihm bereits bewilligte Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des im Rechtsstreit abgeschlossenen Vergleichs zu erstrecken.

Mit Schriftsatz vom 07.04.2009 (Bl. 3, 4 d. Akten) erhob der Kläger durch einen Rechtsanwalt Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Ulm gegen eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung seines Arbeitgebers vom 19.03.2009. Gleichzeitig beantragte er mit gesondertem Schriftsatz vom 07.04.2009 ihm für seine Kündigungsschutzklage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn RA. F. zu bewilligen (Bl. 14, 15 d. Akten). Mit Beschluss vom 22.06.2009 (Bl. 66, 67 d. Akten) entsprach das Arbeitsgericht seinem Prozesskostenhilfeantrag in vollem Umfang und beschloss zudem, dass der Kläger auf die Prozesskosten derzeit keine Zahlungen zu leisten hat.

Im Kammertermin am 05.08.2009 schlossen die Prozessparteien einen Vergleich, in dem sie neben der streitgegenständlichen Kündigungsschutzklage auch die von der Beklagten in deren Schriftsatz vom 18.06.2009 (Eingang bei Gericht 24.06.2009, Bl. 69 – 71 d. Akten) behaupteten Schadensersatzansprüche gegen den Kläger mit erledigten und darüber hinaus die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit bestimmten Formulierungen vereinbarten (vgl. Sitzungsniederschrift v. 05.08.2009, Bl. 95 und 96 d. Akten). Als Gebührenstreitwert setzte das Gericht für die Kündigungsschutzklage EUR 9.000,00, als Mehrwert des Vergleichs EUR 4.873,84 fest (vgl. Sitzungsniederschrift v. 05.08.2009 Bl. 96 d. Akten).

Mit Schriftsatz vom 10.08.2009 (Bl. 101 d. Akten) beantragte der Kläger den PKH-Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 22.06.2009 auf den Vergleichsmehrwert zu erstrecken und legte mit Schriftsatz vom 24.08.2009 (Bl. 105 d. Akten) für den Fall, dass eine Ergänzung des Beschlusses nicht möglich sein sollte, sofortige Beschwerde gegen den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.06.2009 ein. Diese sofortige Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 26.11.2009 (Az. 21 Ta 6/09) als unzulässig verworfen.

Seinen Antrag auf Erstreckung des PKH-Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 22.06.2009 auf den Vergleichsmehrwert wies das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 28.08.2009, bezüglich dessen Einzelheiten und Begründung vollinhaltlich auf Bl. 107 d. Akten verwiesen wird und der dem Kläger am 02.09.2009 zugestellt wurde (Empfangsbekenntnis Bl. 110 d. Akten), zurück. Mit Schriftsatz vom 02.10.2009, der bei Gericht am 02.10.2009 per Telefax einging (vgl. Gerichtsstempel Bl. 116 d. Akten), legte der Kläger sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss ein, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 21.10.2009 (Bl. 123 d. Akten) nicht abhalf.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. den §§ 11a Abs. 3 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und im übrigen auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 78 Satz 1 ArbGG, 569, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt, nachdem der mit der sofortigen Beschwerde angegriffene Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 28.08.2009 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.09.2009 (Empfangsbekenntnis Bl. 110 d. Akten) zugestellt wurde und die sofortige Beschwerde per Telefax am 02.10.2009 beim Arbeitsgericht Ulm einging (vgl. Gerichtsstempel Bl. 116 d. Akten).

2. Die sofortige Beschwerde ist hingegen nicht begründet.

a) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erstrecken sich innerhalb des Rechtszugs im Sinne von § 119 ZPO ohne weiteres auf die Kosten eines Prozessvergleichs, sofern er sich auf den Streitgegenstand des Rechtsstreits beschränkt. Umfasst er weitere Gegenstände, die zu e...

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