Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. Mitbestimmung bei Umgruppierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewertung von Anträgen auf Feststellung der Mitbestimmungspflicht zur Ein- und Umgruppierung in einen Tarifvertrag und auf Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Zustimmung zur Umgruppierung von 335 namentlich genannten Arbeitnehmern gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG einzuholen und im Nichterteilungsfall das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen, ist der Bestimmung des § 23 Abs. 2 und 3 RVG zu entnehmen.

2. Für die Frage, ob die Werte mehrerer Streitgegenstände für die Ermittlung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG zusammen zu rechnen sind, sind im Wege der Analogie Bestimmungen und Grundsätze des für die Bemessung der Gerichtsgebühren maßgebenden Rechts heranzuziehen.

 

Normenkette

BetrVG § 99; RVG § 23

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Beschluss vom 18.05.2011; Aktenzeichen 3 BV 2/08)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 18.05.2011 – 3 BV 2/08 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwälte H. und Kollegen wird auf 78.800,00 EUR festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) richtet sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats (Beteiligte zu 3) im Rahmen eines von dem bei ihr eingerichteten 15-köpfigen Betriebsrats (Beteiligte zu 2) eingeleiteten Beschlussverfahrens um die Umgruppierung von Arbeitnehmern.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metall- und Elektrobranche, bei dem der von der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Südwestmetall gemeinsam vereinbarte Entgeltrahmentarifvertrag ERA-TV vom 13. September 2003 zum 01. Januar 2008 eingeführt wurde. Im Zuge dessen begehrte der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin im Ausgangsverfahren die Feststellung, dass die Eingruppierung und Umgruppierung von betriebsangehörigen Mitarbeitern in den ERA-Tarifvertrag mitbestimmungspflichtig sei (Antrag zu 1). Des Weiteren beantragte er als Antrag zu 2, der Arbeitgeberin aufzugeben, seine Zustimmung zur Umgruppierung von 335 namentlich genannten Arbeitnehmern gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG einzuholen und im Nichterteilungsfall das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen. Das Arbeitsgericht gab den Anträgen statt und setzte den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 106.800,00 EUR fest.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Arbeitgeberin, die eine Herabsetzung auf 28.000,00 EUR (4.000,00 EUR für den Antrag zu 1 und 24.000,00 EUR für den Antrag zu 2) begehrt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig und teilweise begründet. Der Antrag zu 2 des Betriebsrats, gerichtet auf Einleitung des Beteiligungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG, ist mit 78.800,00 EUR zu bewerten. Der Antrag zu 1 (Feststellung der Umgruppierungspflicht im Betrieb der Arbeitgeberin) wirkt sich nicht werterhöhend aus, da sein Rechtsschutzziel in demjenigen des Antrags zu 2 enthalten ist, also Teilidentität vorliegt, und er wertmäßig hinter dem Antrag zu 2 zurückbleibt, weshalb nur von Letzterem auszugehen ist.

1. Zu bewerten ist – im Rahmen des den Verfahrensbevollmächtigten erteilten Auftrags – der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG). Ihn bilden in Zivilverfahrensrechtssachen die Streitgegenstände (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Jeder von ihnen ist der Bewertung zuzuführen, und sodann ist die Frage zu entscheiden, ob diese mehreren Werte ganz oder teilweise zusammenzurechnen sind oder nicht. Diese Frage beantwortet sich nicht aus § 22 Abs. 1 RVG, denn diese Bestimmung sagt nichts darüber, ob eine Zusammenrechnung zum Zwecke der Erhöhung des Gegenstandswerts vorzunehmen ist. Heranzuziehen sind vielmehr im Wege der Analogie Bestimmungen und Grundsätze des für die Bemessung der Gerichtsgebühren maßgebenden Rechts (LAG Baden-Württemberg 10. Januar 2003 – 3 Ta 145/02 –; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe RVG 19. Aufl. § 22 RVG Randnr. 3; Hartmann Kostengesetze 41. Aufl. § 22 RVG Randnr. 2).

2. Den Bewertungsmaßstab für die im Ausgangsverfahren angefallenen Anträge zu 1 und zu 2 bildet § 23 Abs. 2 und 3 RVG (ständige Rechtsprechung der für Streitwertbeschwerden zuständigen Kammern des LAG Baden-Württemberg, vgl. 06. Juli 2010 – 5 Ta 116/10 –).

a) Hiernach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der G...

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