Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstellenvorsitz. Person
Leitsatz (amtlich)
Können sich die Verfahrensbeteiligten im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht auf eine Person als Einigungsstellenvorsitzenden einigen, ist das Gericht nicht daran gehindert, eine von einem Verfahrensbeteiligten vorgeschlagene Person als Einigungsstellenvorsitzenden einzusetzen, sofern der diese Person nicht wünschende andere Verfahrensbeteiligte seine Vorbehalte nicht wenigstens im Ansatz nachvollziehbar begründet (Gründe II.2.b.aa.: Beschluss lehnt „Windhundprinzip” ab).
Normenkette
ArbGG § 98
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Beschluss vom 09.07.2010; Aktenzeichen 3 BV 20/10) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des zu 1 beteiligten Gesamtbetriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 09.07.2010 – 3 BV 20/10 – teilweise abgeändert. Der Beschluss wird klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst.
Herr Richter am Arbeitsgericht M. H. wird zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zum Thema „Einführung und Anwendung des Multifunktionsgeräts Canon iR 1024 iF in den Büros der Betriebsräte einschließlich des Gesamtbetriebsrats” bestellt.
Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
- Im Übrigen werden die Anträge des zu 1 beteiligten Gesamtbetriebsrats abgewiesen.
II. Die weitergehende Beschwerde des zu 1 beteiligten Gesamtbetriebsrats wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle mit dem Ziel des Abschlusses einer Gesamtbetriebsvereinbarung zum Thema Einführung, Anwendung, Nutzung der neuen Canon-Fax-Kombigeräte in den Betriebsratsbüros einschließlich – so die Klarstellung des zu 1 beteiligten Gesamtbetriebsrats im zweitinstanzlichen Anhörungstermin – des Gesamtbetriebsratsbüros.
Der Beteiligte zu 2 (künftig: Arbeitgeber) betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Bei ihm sind circa 130 Betriebsräte gebildet. Diese haben den zu 1 beteiligten Gesamtbetriebsrat (künftig: GBR) errichtet. Der GBR hat einen Technikausschuss gebildet. Dieser Ausschuss ist nach der unbestrittenen Angabe des GBR das einzige im Unternehmen gebildete betriebsverfassungsrechtliche Gremium, das über ein „relatives Basiswissen” hinsichtlich der technischen Einrichtungen und hinsichtlich des vom Arbeitgeber genutzten Warenwirtschaftssystems verfügt.
Die Betriebsratsbüros waren zunächst ebenso wie die Verwaltung des Arbeitgebers mit geleasten Fax-Drucker-Kombigeräten der Firma Hitachi ausgestattet. Im Herbst 2009 tauschte der Arbeitgeber ohne Vorankündigung diese Geräte gegen Leasinggeräte eines anderen Herstellers aus. Das neue in den Betriebsratsbüros einschließlich des Gesamtbetriebsratsbüros (künftig: Betriebsratsbüros) installierte Fax-Gerät ist das „Multifunktionsgerät Canon iR 1024 iF”. Der Canon iR 1024 iF ist IP-fähig, ist also in ein Computernetzwerk integrierbar. Durch seine Nutzung fallen Daten an, zum Beispiel Protokolle.
Soweit der Canon iR 1024 iF als Faxgerät genutzt wird, werden Verbindungsdaten beim Faxtransfer aufgezeichnet. Aufgezeichnet wird dabei, welcher Anschluss wann wieviele Seiten an welchen Anschluss versandt hat. Möglicherweise wird dies nicht nur einmal (im internen Faxprotokoll des Geräts) aufgezeichnet, sondern auch beim Telekommunikations-Provider als Einzelverbindungsnachweis.
Mit Schreiben vom 04.11.2009 (Anlage A1, Bl. 28-29 ArbG-Akte) beanstandete der Technikausschuss des GBR die fehlende Information seitens des Arbeitgebers und forderte den Arbeitgeber mit Fristsetzung bis zum 23.11.2009 auf, „bezüglich der Einführung und Nutzung dieser Fax-Drucker-Geräte eine entsprechende Betriebsvereinbarung (siehe GBV „automatische Bestellübermittlung per SMS”) mit dem GBR zu verhandeln und zu unterzeichnen”. Nachdem der Arbeitgeber nicht reagierte, setzte ihm der Technikausschuss des GBR mit Schreiben vom 14.01.2010 eine Frist bis zum 15.02.2010 (Anlage A2, Bl. 30 ArbG-Akte).
Der Arbeitgeber antwortete schließlich mit Schreiben vom 26.02.2010 (Anlage A3, Bl. 31 ArbG-Akte). Er halte es für fraglich, ob man eine Betriebsvereinbarung benötige, da es sich nicht um „technische Einrichtungen von Arbeitnehmern im Betrieb” handele, sondern um Sachmittel des Betriebsrats. Ungeachtet dessen greife er den Vorschlag gern auf und übersende in der Anlage einen Ausdruck der „GBV Bestellübermittlung” mit der Bitte um handschriftliche Änderung oder Kenntlichmachung der Änderungen, die aus Sicht des GBR vorgenommen werden sollten.
Der Technikausschuss des GBR rügte mit Schreiben vom 05.03.2010 (Anlage A4, Bl. 32 ArbG-Akte) die Verspätung der Antwort, blieb sinngemäß bei seiner Beurteilung, dass es sich um eine technische Einrichtung handele, und behielt sich rechtliche Schritte vor. Mit weiterem Schreiben vom 05.03.2010 (Anlage A5, Bl. 33 ArbG-Akte) erklärte er, die aus seiner Sicht erforderliche Gesamtbetriebsvereinbarung könne nicht durch Abänderung der GBV „Bestellübermittlung” erstellt werden, da es sich um absolut verschiedene Bereiche handele. Er fordere den Arbeitgeber auf, mit dem GBR für...