Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensbezogene Ermittlung des Gegenstandswerts für anwaltliche Tätigkeit. Werterhöhung auch durch nicht entschiedenen Hilfsantrag. 5000 Euro Streitwert bei Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ermittlung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG erfolgt verfahrensbezogen. Eine verfahrensübergreifende Bewertung wäre mit der Systematik der Bemessung der Gebühren nach dem RVG unvereinbar.

2. Außerhalb der Wertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 2 GKG und der Erstreckung auf die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 32 Abs. 1 RVG ist im Rahmen der Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG ein Hilfsantrag - von Fällen wirtschaftlicher Identität im Verhältnis zum Hauptantrag abgesehen - auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn über diesen keine gerichtliche Entscheidung ergeht oder dieser nicht mitverglichen wird, weil § 45 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 GKG insoweit weder direkt noch analog anwendbar ist.

 

Normenkette

RVG § 32 Abs. 1, § 33; GKG § 63 Abs. 2, § 45 Abs. 2; BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 27.07.2018; Aktenzeichen 1 BV 1/18)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 27.07.2018 - 1 BV 1/18 - dahingehend abgeändert, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwaltskanzlei Ba. von 10.000,00 EUR auf 7.500,00 EUR herabgesetzt wird.
  2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
 

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.

Im Ausgangsverfahren begehrten die Arbeitgeberinnen die Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung einer namentlich benannten Mitarbeiterin als erteilt gelte, hilfsweise die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung dieser Mitarbeiterin (erster Hilfsantrag) sowie die Feststellung der Erforderlichkeit deren vorläufiger Einstellung (zweiter Hilfsantrag). In taggleich anhängig gemachten 20 weiteren Parallelverfahren verfolgten die Arbeitgeberinnen identische Anträge betreffend 20 weitere Arbeitnehmer. Nach Rücknahme sämtlicher Anträge nach erteilter Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung wurden alle Verfahren eingestellt.

Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 10.000,00 EUR festgesetzt (5.000,00 EUR für den ersten Hilfsantrag sowie je 2.500,00 EUR für die weiteren Anträge).

Mit der Beschwerde begehren die Arbeitgeberinnen eine Herabsetzung des Gegenstandswerts auf 2.500,00 EUR, der das Arbeitsgericht nicht entsprochen hat.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberinnen ist statthaft (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig, aber nur zu einem Teil begründet. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats zu hoch bemessen. Dieser war von 10.000,00 EUR auf 7.500,00 EUR zu reduzieren.

1. Prüfungsmaßstab

a) Die bewertungsrelevanten Anträge der Arbeitgeberinnen (Feststellung der als erteilt geltenden Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der namentlich benannten Mitarbeiterin sowie hilfsweise auf Ersetzung der Zustimmung und Feststellung der dringlichen Erforderlichkeit der Durchführung dieser personellen Maßnahme) sind - unumstritten und deshalb keiner vertieften Erörterung bedürftig - jeweils nichtvermögensrechtlicher Natur.

b) Jeder einzelne Antrag ist unter Zugrundelegung des sich aus § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ergebenden Maßstabs einer separaten Bewertung zu unterziehen. Dabei sind insbesondere der maßgeblich durch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache bestimmte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber zu berücksichtigen und sind sonstige im Einzelfall wertbildende Umstände ins Auge zu fassen. Ausgehend vom Anknüpfungswert von 5.000,00 EUR ist zu prüfen, ob die im konkreten Fall gegebenen wertbestimmenden Faktoren eine Erhöhung oder Reduzierung dieses Wertes gebieten (ständige Rechtsprechung der erkennenden Kammer, vgl. 29. Januar 2016 - 5 Ta 155/15 - juris).

c) Nach der Einzelbewertung ist zu entscheiden, ob diese mehreren Werte ganz oder teilweise zusammenzurechnen sind oder nicht. Diese Frage beantwortet sich nicht aus § 22 Abs. 1 RVG, denn diese Bestimmung sagt nichts darüber, ob eine Zusammenrechnung zum Zwecke der Erhöhung des Gegenstandswerts vorzunehmen ist. Heranzuziehen sind vielmehr die für die Bemessung der Gerichtsgebühren niedergelegten allgemeinen Rechtsgrundsätze (ständige Rechtsprechung der erkennenden Kammer, vgl. 24. Juni 2013 - 5 Ta 53/13 - juris Rn 7 mwN).

2. Einzelbewertung

a) Der Hauptantrag der Arbeitgeberinnen ...

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