Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung der Betriebsrente im qualifiziert faktischen Konzern. unbegründete Klage eines Betriebsrentners bei unsubstantiierten Darlegungen zur Gesellschafterinnenhaftung im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beurteilungsgrundlage für die zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen worden können; für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens 3 Jahren ausgewertet werden.

2. Die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag kann die frühere Prognose bestätigen oder entkräften; Voraussetzung für die Berücksichtigung der späteren Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren.

3. Eine Haftung wegen Missbrauchs der Rechtsform besteht nicht (mehr) als Außenhaftung sondern nur (noch) als Gesellschafterinnenhaftung in Form einer "Existenzvernichtungshaftung" auf der Grundlage von § 826 BGB; Schutzgut sind nicht (mehr) die Gläubigeransprüche sondern das Gesellschaftsvermögen als solches, wobei das Überlebensinteresse der Gesellschaft gegen Eingriffe der Gesellschafter geschützt wird.

4. Die Haftung des Gesellschafters setzt unter anderem den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft oder deren Vertiefung voraus; die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters nach § 826 BGB erfordert einen kompensationslosen "Eingriff" in das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen.

5. § 826 BGB verbietet vorsätzliche Schädigungen des Gesellschaftsvermögens, die gegen die guten Sitten verstoßen; eine Sittenwidrigkeit betrifft nicht nur die Fälle, in denen die Vermögensentziehung geschieht, um den Zugriff der Gläubiger auf dieses Vermögen zu verhindern, sondern ist auch dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat.

6. Führen die Regelungen des Konzerns nicht zur Berechtigung der Gesellschafter, der Konzerngesellschaft Gesellschaftsvermögen zu entziehen, sondern führen diese Regelungen regelmäßig dazu, dass das Gesellschaftskapital (wenn auch nur in möglicherweise gesteuert begrenzten Umfang) anwachsen kann, wird die Befriedigung der Betriebsrentenansprüche, zu deren Zweck das Gesellschaftsvermögen zu dienen bestimmt ist, zu keinem Zeitpunkt gefährdet.

7. Die Möglichkeit zur Erwirtschaftung einer für künftig Betriebsrentenanpassungen auskömmlichen höheren Eigenkapitalverzinsung wird über § 826 BGB im Innenverhältnis zwischen der Konzerngesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht geschützt; auch wenn Regelungen des Konzerns tatsächlich dazu führen, dass den Beschäftigten während ihres Rentnerdaseins keine Anpassungsansprüche mehr erwachsen, liegt damit ein rechtswidriger Eingriff der Gesellschafter gegen das Konzernunternehmen nicht vor.

8. Eine "harte Patronatserklärung" ist im Falle einer konzerninternen Erklärung eine rechtsverbindliche Erklärung der Konzernmutter oder der Gesellschafter, die Tochter finanziell so zu stellen, dass diese ihre Verbindlichkeiten erfüllen kann; liegt eine solche harte Patronatserklärung vor, hat die Konzerntochter eine konzerninterne Refinanzierungsmöglichkeit, falls sie vom Versorgungsempfänger in Anspruch genommen wird.

 

Normenkette

BetrAVG § 16 Abs. 1; BGB § 826

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 09.11.2012; Aktenzeichen 30 Ca 2111/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.04.2015; Aktenzeichen 3 AZR 14/14)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 09.11.2012, Az. 30 Ca 2111/12 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger seit 1. Januar 2011 zustehenden Betriebsrente.

Der am 00. Juni 1900 geborene Kläger ist am 1. Mai 1073 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingetreten. Mit Schreiben vom 7. Juni 1999 unterrichtete die Beklagte die Arbeitnehmer darüber, dass das Arbeitsverhältnis zum 1. Juli 1999 infolge eines Betriebsübergangs von der Firma I. D. I. GmbH auf sie übergehen werde und sie damit in alle Rechte und Pflichten des Beschäftigungsverhältnisses eintrete und insbesondere die betrieblichen Versorgungsanwartschaften entsprechend den Regelungen des I. V. fortbestünden.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Seit 1. Januar 2008 bezieht der Kläger eine jeweils zum Monatsende zahlbare betriebliche Alters...

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