Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung eines wegen Erreichens der Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Bewerbers wegen des Alters durch Nichtaufnahme in die Bewerberauswahl für eine ausgeschriebene Stelle
Leitsatz (amtlich)
Ein öffentlicher Arbeitgeber darf die Bewerbung seines früheren Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer zulässigen tariflichen Altersgrenzenregelung mit ihm selbst endete, auch ohne dessen Einbeziehung in das Bewerberauswahlverfahren wegen dessen Ausscheidens aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze ablehnen, weil andernfalls der Sinn der zulässigen tariflichen Altersgrenze konterkariert würde.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; AGG § 10 Sätze 1-2; TVöD § 33 Abs. 1a
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 07.08.2019; Aktenzeichen 3 Ca 157/19) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 07.08.2019 - 3 Ca 157/19 - abgeändert.
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten 1. und 2. Instanz zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, den Kläger, der bei ihr wegen Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, in die Bewerberauswahl nicht einzubeziehen oder ob darin eine Diskriminierung wegen Alters liegt.
Der am 0.0 1953 geborene Kläger ist Volljurist. Er war seit dem 1. Januar 1993 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Entscheider mit Eingruppierung in Entgeltgruppe 12. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, zuletzt auch der TVöD-Bund, fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung dynamisch auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Der Kläger war seit 1993 Personalrat und seit 2002 Mitglied des Gesamtpersonalrats. Bis zum 15. Januar 2018 war er als Gesamtpersonalratsmitglied zu 50 %, spätestens seit 22. Januar 2018 als dessen stellvertretender Vorsitzender ganz freigestellt.
Das Arbeitsverhältnis endete nach § 33 Abs. 1a) TVöD-Bund mit Erreichen der Regelaltersgrenze zum Ablauf des 30. September 2018. Hiergegen setzte sich der Kläger erfolglos zur Wehr (LAG BW 18. Oktober 2019 - 9 Sa 36/19). Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Seit 1. Oktober 2018 bewarb sich der Kläger auf diverse Stellenanzeigen der Beklagten, ua. auf eine Anzeige für das Referat 42E - Ankunftszentrum Mö. - als Entscheider nach der "Entgeltgruppe 12 TV EntgO Bund bzw. A 10 bis A 12 BBesG" mit der Kennziffer BAMF-2018-702 (Anlage Kläger 1, ABl. 13 der erstinstanzlichen Akte).
Die Stellenausschreibung lautete im Wesentlichen:
"Für das Referat 42E - Ankunftszentrum Mö. - suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt für den Dienstort Mö. mehrere Entscheiderinnen bzw. Entscheider (E 12 TV EntgO Bund bzw. A 10 bis A 12 BBesG) Kennziffer: BAMF - 2018 - 702.
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Ihre Aufgaben
Bearbeitung von Asylerst- und Folgeverfahren
(...)
Bearbeitung von Widerrufs- / Rücknahmeverfahren
(...)"
Mit Schreiben vom 28. März 2019 (Anlage Kläger 4, ABl. 19 f. der erstinstanzlichen Akte) teilte die Beklagte dem Kläger, bezogen auf diese Bewerbung mit:
"Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Bewerbung in das Stellenausschreibungsverfahren BAMF-2018-702 und Ihr Interesse an einer Tätigkeit im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir Ihnen nach Abschluss des Auswahlverfahrens kein Einstellungsangebot unterbreiten können.
Wie Ihren Bewerbungsunterlagen zu entnehmen ist, haben Sie die in § 33 TVöD genannte Regelaltersgrenze bereits erreicht.
Mithin steht Ihrer Einstellung die tarifvertraglich festgesetzte Altersgrenze entgegen. Diese tarifliche Regelung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach ist die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzung für den Bezug einer Altersrente erfüllen, zulässig. Ein Anspruch auf Beschäftigung über (tarifvertraglich) festgelegte Altersgrenzen besteht insoweit nicht.
Eine solche Altersregelung beruht nach Auffassung des Europäischen Gerichts auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demographischen und / oder haushaltsbezogenen Erwägungen und ist seit langem Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten. Dabei wird insbesondere berücksichtigt, dass den von der Altersgrenze erfassten Personen am Ende ihrer beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich in Form einer Altersrente / Pension zugutekommt.
Des Weiteren stehen der Eingehung von Arbeitsverhältnissen im Falle des Überschreitens der tariflichen Altersgrenze auch rechtliche Gründe entgegen. Der Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhäl...