Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Urkunde i.S. von § 580 Nr. 7 lit. b ZPO. Zulässigkeit der Restitutionsklage aufgrund eines neuen privaten Sachverständigengutachtens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Restitutionsklage auf das Auffinden oder Nutzenkönnen einer Urkunde gestützt, ist sie unzulässig, wenn die Inhalte, die mit der Urkunde bewiesen werden sollen, von deren Beweiskraft nicht erfasst sind und deshalb insoweit keine Urkunde im Sinnes des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO vorliegt.

2. Auf den Inhalt eines privaten Sachverständigengutachtens kann eine Restitutionsklage nicht zulässigerweise gestützt werden. Ein privates Sachverständigengutachten hat keine Beweiskraft hinsichtlich seines Inhalts, sondern ist nur qualifizierter Sachvortrag des Restitutionsklägers. Es bildet somit keine Urkunde im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO.

3. Eine Urkunde im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO muss grundsätzlich zu einem Zeitpunkt errichtet worden sein, in dem sie in dem früheren Verfahren noch hätte geltend gemacht werden können. Soweit für Urkunden, beispielsweise für nachträglich errichtete Personenstandsurkunden, Ausnahmen gelten, handelt es sich um solche Urkunden, die ihrer Natur nach nicht in zeitlichem Zusammenhang mit den durch sie bezeugten Tatsachen errichtet werden können und die deshalb, wenn sie - später - errichtet werden, notwendig Tatsachen beweisen, die einer zurückliegenden Zeit angehören (Anschluss an BAG 29. September 2011 - 2 AZR 674/10). Eine solche Ausnahmekonstellation liegt bei einem nachträglich erstellten privaten Sachverständigengutachten nicht vor.

4. Die Verletzung rechtlichen Gehörs stellt keinen Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO dar. 5. Ob dem von einer Verdachtskündigung betroffenen Arbeitnehmer ohne Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK ausreichend ermöglicht wurde, sich von dem Verdacht zu entlasten, ist - abgesehen vom Fall des § 580 Nr. 8 ZPO - keine Frage der Zulässigkeit, sondern gegebenenfalls der Begründetheit der Restitutionsklage.

 

Normenkette

ZPO §§ 416, 580 Nr. 7 Buchst. b), § 584 Abs. 1, § 589 Abs. 1; ArbGG § 79 S. 1; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; EMRK Art. 6 Abs. 2; GRC Art. 15 Abs. 1, Art. 16, 30

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 31.07.2017; Aktenzeichen 24 Ca 2/17)

 

Tenor

  1. Die Restitutionsklage wird als unzulässig verworfen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit und Begründetheit einer Restitutionsklage, mit der der Kläger eine erneute Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung, die die Beklagte dem Kläger gegenüber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien ausgesprochen hat, erreichen will.

Bezüglich des unstreitigen und streitigen Tatbestandes des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Juni 2018, mit dem die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die Kündigung der Beklagten (datiert) vom 5. Dezember 2016, die das Arbeitsverhältnis der Parteien beenden sollte, beschieden wurde (Seiten 3 bis 28 dieses Urteils, Bl. 815 bis 840 der Akten 21 Sa 48/17), wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in entsprechender Anwendung vollinhaltlich Bezug genommen. Dieses Urteil wurde dem Kläger am 10. August 2018 zugestellt (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 880 der Akten 21 Sa 48/17). Die vom Kläger gegen die Abweisung seiner Kündigungsschutzklage durch das Landesarbeitsgericht eingelegte Revision hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts (Az: 2 AZR 426/18) mit am 31. Januar 2019 verkündetem Urteil zurückgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Urteils wird auf die beglaubigte Abschrift der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Bl. 889 bis 903 der Akten 21 Sa 48/17) verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019, der am 23. Dezember 2019 beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg auf elektronischem Weg einging (vgl. Bl. 1 der Akten Rubrik "Eigenschaften"), erhob der Kläger Restitutionsklage und machte darin als Restitutionsgrund das Vorliegen der Voraussetzungen des § 580 Nr. 7 b ZPO geltend. Mit dieser Restitutionsklage legte der Kläger als Anlage K 1 ein mit "SACHVERSTÄNIDIGENGUTACHTEN" überschriebenes Schreiben des Kfz-Sachverständigen M. E. (datiert) vom 2. Dezember 2019, dessen Unterschrift sich auf der letzten Seite dieses Schreibens befindet, vor. Hinsichtlich der Einzelheiten des Inhalts dieses Schreibens wird vollinhaltlich auf Bl. 11 bis 84 der Akten verwiesen.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor,

das Sachverständigengutachten des Herrn E. stelle eine Urkunde im Sinne des § 580 Nr. 7 b ZPO dar. Der Urkundsbegriff sei weit auszulegen. Die Tatsache, dass das Sachverständigengutachten erst am 2. Dezember 2019 fertig gestellt worden sei, stehe dem Restitutionsverfahren nicht entgegen, da in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass eine Restitutionsklage auch auf solche Urkunden gestützt werden könne, die nach der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung errichtet worden...

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