Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Urteils nach Lage der Akten bei Säumnis einer Partei
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Urteil nach Lage der Akten gemäß § 331a ZPO setzt voraus, dass in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist (§ 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Jedenfalls bei Säumnis der beklagten Partei in der Kammerverhandlung kann ein solcher früherer Termin auch die Güteverhandlung gewesen sein. Selbst wenn man dies anders sieht, scheidet dann eine Zurückverweisung durch das Berufungsgericht an das Arbeitsgericht aus.
2. Die Frage, ob die Entscheidung nach Aktenlage statt durch Alleinentscheidung durch die Kammer des Arbeitsgerichts hätte getroffen werden müssen, konnte offenbleiben.
3. Anwendungsfall einer eigenständigen Regelung zum Verfall von vertraglichem Mehrurlaub.
Normenkette
ZPO §§ 331a, 538 Abs. 2; ArbGG §§ 68, 55 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 273; BUrlG § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 19.02.2019; Aktenzeichen 7 Ca 6565/18) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.02.2019 (7 Ca 6565/18) im Hinblick auf die übereinstimmende teilweise Erledigungserklärung (Arbeitszeugnis) zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:
- Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.762,24 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21. August 2018 zu bezahlen.
- Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin - die Entgeltabrechnung für den Monat August 2018 - die Abmeldebescheinigung zur Sozialversicherung - den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2018 und die Mitteilung über den Inhalt der Meldung zur Sozialversicherung herauszugeben.
- Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.150 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21. September 2018 zu bezahlen.
II.
Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche und Arbeitspapiere.
Die Klägerin war vom 01. Mai 2017 bis 31. August 2018 bei der Beklagten zu 1 als Altenpflegerin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug seit 01. Juni 2018 3.150,00 Euro zuzüglich Zuschläge. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung. Die Beklagte zu 1 betreibt einen Pflegedienst, die Beklagten zu 2 und 3 sind Gesellschafter der Beklagten zu 1.
Der nicht datierte schriftliche Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 (siehe Anlage K3, Abl. 50 der Akte ArbG) enthält zur Arbeitszeit in § 5 folgende Regelung:
"Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt zurzeit 180,0 Stunden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der betrieblichen Einteilung.
Für den Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Auf dieses Arbeitszeitkonto werden Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit als Plus- und Unterschreitungen als Minusstunden erfasst. Plusstunden werden grundsätzlich durch Freizeit ausgeglichen. Im laufenden Jahr beträgt die Höchstgrenze für Guthabenstunden 50 Stunden und für Minusstunden 30 Stunden. Zum Jahresende haben beide Parteien dafür Sorge zu tragen, dass das Arbeitszeitkonto ausgeglichen ist. Ein verbleibender Zeitsaldo wird ins Folgejahr übertragen und muss bis zum 31.03. abgebaut werden. Der Arbeitgeber kann mit Fälligkeitsdatum 01.04. des Folgejahres eine Verrechnung mit dem Gehalt vornehmen. Ein Anspruch darauf besteht nicht.
Der Arbeitgeber kann 12 Stunden Schichten anordnen, sofern dies die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht gefährdet. Der Arbeitnehmer erklärt sich damit einverstanden."
§ 6 des Arbeitsvertrags lautet unter der Überschrift "Urlaub" wie folgt:
"Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr - ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche. Der Arbeitgeber gewährt zusätzlich einen vertraglichen Urlaub von weiteren 10 Arbeitstagen. Bei der Gewährung von Urlaub wird zuerst der gesetzliche Urlaub eingebracht.
Bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte wird der Urlaubsanspruch gezwölftelt, wobei die Kürzung allerdings nur insoweit erfolgt, als dadurch nicht der gesetzlich vorgeschriebene Mindesturlaub unterschritten wird.
Der Zusatzurlaub mindert sich für jeden vollen Monat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung hatte. Kann der Zusatzurlaub nicht bis zum Ablauf des 31.03. des Folgejahres in Anspruch genommen werden, verfällt der Urlaubsanspruch ersatzlos auch dann, wenn der Urlaub im Übertragungszeitraum des Arbeitnehmers nicht genommen werden kann.
Kann der gesetzliche Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. In Bezug auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch besteht ein Abgeltungsanspruch auch dann, wenn die Inanspruchnahme wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgt is...