Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung über die Höhe des Jahresbonus von AT-Mitarbeitern
Leitsatz (amtlich)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung, gemäß der der Jahresbonus der betroffenen AT-Mitarbeiter als Produkt aus den Faktoren Bruttojahresgrundgehalt, Zielbonus, Geschäftszielerreichung und individuelle Leistung ermittelt wird.
Leitsatz (redaktionell)
1. Erreicht ein Arbeitnehmer seine persönlichen Ziele, kommt nur in Ausnahmefällen eine Festsetzung des gemäß einer Betriebsvereinbarung geschuldeten Bonus auf "0" in Betracht.
2. Es entspricht nicht billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber zunächst eine detaillierte Formel aufstellt, nach der verschiedene Zielgrößen berücksichtigt und unterschiedlich gewichtet werden sollen, dann jedoch hinsichtlich eines Berechnungsfaktors, der den erzielten Gewinn betrifft, eine Zielerreichung von Null annimmt, obwohl ein Zielerreichungsgrad von 91,33% (erreichter Gewinn gegenüber ursprünglich angepeiltem Gewinn) bei der Einführung neuer Produkte erreicht wurde. Allein der Umstand, dass der erzielte Gewinn als "deutlich geringer" als der ursprünglich geplante beurteilt wird, womit das gesetzte Ziel "deutlich verfehlt" wird, kann nicht als sachlicher Grund für eine solche willkürlich erscheinende Festlegung anerkannt werden.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Entscheidung vom 12.12.2018; Aktenzeichen 3 Ca 178/18) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 12. Dezember 2018 - 3 Ca 178/18 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer variablen Vergütung für das Jahr 2017.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf den nicht angegriffenen Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2018 unter Klageabweisung im Übrigen in Höhe von 11.019,51 € stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe nach ihrem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der BV Bonus 2017 einen Anspruch auf variable Vergütung, der durch die im Wege eines Gestaltungsurteils vorzunehmende Festsetzung des BPF und des IPF zu einer Pflicht der Beklagten zur Zahlung in Höhe des ausgeurteilten Betrags führe. Ziff. III. 1. des Arbeitsvertrags nehme auf die jeweils gültige Regelung zum Erreichen bestimmter Unternehmensziele und bestimmter persönlicher Ziele Bezug. Nach der für das Jahr 2017 geltenden BV Bonus 2017 errechne sich die variable Vergütung der Klägerin nach der Formel Bruttojahresgrundgehalt x Zielbonus x Faktor Geschäftszielerreichung (BPF) x Faktor individuelle Leistungen (IPF) = kalkulierter Bonus. Hierbei seien zwischen den Parteien die Festlegung des BPF auf "0" und die Nichtfestsetzung des IPF streitig.
Zwar würden sowohl die T. KPIs als auch die KPIs der einzelnen Business Units nicht durch die Beklagte ermittelt, sondern durch den Konzern und die einzelnen Geschäftsbereiche. Gegenüber der Klägerin setze aber das Unternehmen - verstanden als Vertragsarbeitgeber - und mithin die Beklagte den BPF fest, wobei sie sich die übermittelte Zielerreichung zu eigen mache. Dabei überlasse die BV Bonus 2017 der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i.S.d. § 315 BGB.
Die Festsetzung des BPF auf "0" durch die Beklagte sei bereits deshalb unverbindlich, weil sie durch die Einbeziehung globaler Ziele den nach der BV Bonus 2017 zulässigen Rahmen für die Ausübung billigen Ermessens überschritten habe. Das Verständnis der Beklagten, das Geschäftsziel des jeweiligen Geschäftsbereichs sei zu verstehen als gewichtete Kombination von T. KPIs und Business Unit KPIs, finde im Wortlaut der BV Bonus 2017 keine Entsprechung. Die Fußnote 6 zur Erklärung des BPF stelle auf das "Geschäftsziel des jeweiligen Geschäftsbereichs" ab, mithin das Ziel der einzelnen Business Unit. Setze man den Begriff "Unternehmen", der innerhalb der BV Bonus 2017 auf verschiedene Art verwendet zu werden scheine, in II. 1. und V. 1. der BV mit "Vertragsarbeitgeber" gleich, könnte bei der Verwendung des Begriffs in direktem Zusammenhang mit "Geschäftsziel" gemeint sein, dass die Festsetzung und Mitteilung der Geschäftsziele sowie der Erreichungsgrad derselben von der Business Unit vorgegeben, aber vom "Unternehmen", verstanden als Vertragsarbeitgeber, in Bezug auf den Bonusanspruch der eigenen Mitarbeiter nach der BV Bonus 2017 festzusetzen sei. Ein hiervon abweichender Wille der Betriebspartner sei nicht erkennbar. Da bis 2017 alle betroffenen Arbeitnehmer einen Bonus erhalten hätten, habe für den Betriebsrat kein Anlass zum Handeln bestanden.
Die Festsetzung des Werts zu dem Gewinn von neuen Generika-Produkteinführungen auf "0", obwohl bei einem Ziel von 662 Mio. USD 406 Mio. USD und somit 61,33 % erreicht worden ...