Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitgebers für Impfschäden durch eine durch eine selbständige Betriebsärztin durchgeführte Grippeschutzimpfung
Leitsatz (amtlich)
Führt eine selbständige Betriebsärztin im Betrieb eine Grippeschutzimpfung als Maßnahme der allgemeinen Gesundheitsvorsorge durch, haftet der Arbeitgeber nicht für einen möglichen Impfschaden. Der Behandlungsvertrag kommt zwischen Arzt und Arbeitnehmer zustande.
Normenkette
BGB §§ 208, 630a; ASiG § 3
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 14.12.2015; Aktenzeichen 1 Ca 226/14) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 14.12.2015, Az. 1 Ca 226/14 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
- Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten als ihrer früheren Arbeitgeberin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds und die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Die Klägerin begründet dies damit, dass sie bei einer im Betrieb der Beklagten in der Mittagspause durchgeführten Grippeschutzimpfung durch die Betriebsärztin der Beklagten einen Impfschaden erlitten habe.
Die Klägerin war ab dem 16.5.2011 im U. als Angestellte in der Abteilung Controlling beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 18.5.2012 durch einen Aufhebungsvertrag vom 10.11.2011.
Die Betriebsärztin der Beklagten Frau Dr. B. sowie die Betriebsärztin Frau Dr. W. riefen in einer E-Mail vom 2.11.2011 alle Mitarbeiter zur Teilnahme an einer Grippeschutzimpfung auf. In der E-Mail (Anl. K1 Akten Bl. 18 der arbeitsgerichtlichen Akte) hieß es:
"Aufruf zur Grippeschutzimpfung
Wir bieten dieses Jahr für alle interessierten Mitarbeiter/Innen einen Impftermin vor dem Speisesaal an: Dienstag 8. November von 12 bis 14 Uhr
Dr. med. B., Ärztin für Arbeitsmedizin
Dr. med. W., Betriebsärztin".
Die Impfung war für die Mitarbeiter kostenlos, die Beklagte übernahm sämtliche Kosten.
Am 8.11.2011 führte Frau Dr. B. bei der Klägerin die Grippeschutzimpfung durch. Unstreitig ist, dass die Impfung ohne Behandlungsfehler durchgeführt worden ist. Streitig ist jedoch, ob die Klägerin zuvor über die Risiken aufgeklärt worden ist und ob die Klägerin tatsächlich einen Impfschaden erlitten hat.
Mit Anwaltsschreiben vom 12.08.2014 machte die Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten wegen eines ärztlichen Aufklärungs- bzw. Behandlungsfehlers bei der am 08.11.2011 erfolgten Grippeschutzimpfung geltend.
Die Beklagte lehnte dies ab und verwies darauf, mögliche Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz beim Landratsamt geltend zu machen.
Frau Dr. B., die die Impfung ausgeführt hat, ist bei der Beklagten als freiberufliche Betriebsärztin aufgrund eines Vertrages vom 30.1.1997 tätig. Nach § 2 des Vertrages übernimmt Frau Dr. B. die Aufgaben einer Betriebsärztin, die sich aus dem Arbeitssicherheitsgesetz ergeben.
Durch zwischenzeitlich rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 21.4.2015 wies das Sozialgericht Freiburg die Klage der Klägerin auf Feststellung, dass es sich bei dem behaupteten Schaden um einen Arbeitsunfall gehandelt habe zurück (Az. S 3 U 68/14). Darüber hinaus macht die Klägerin wegen des von ihr behaupteten Schadens Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz geltend, die Gegenstand eines Verfahrens vor dem Sozialgericht Bremen mit dem Az. S 3 VE 7/15 sind. Hier liegt noch keine Entscheidung vor.
Mit Schriftsatz vom 30.10.2015 verkündete die Beklagte Frau Dr. B. den Streit, die mit Schriftsatz vom 2.12.2015 den Beitritt auf Seiten der Beklagten erklärte.
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin vorgetragen, sie habe durch die Grippeschutzimpfung vom 08.11.2011 einen erheblichen Folgeschaden erlitten. Wenige Stunden nach der Impfung sei es bei ihr zu starken Schmerzen mit erheblicher Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule gekommen, welche bis heute andauerten. Sie leide an Encephalomyelitis, Trigeminusneuralgien V3 links, Occopitalis-Neuralgien links, Retroauricularis-Neuralgien links, spinale Gangataxie mit pathologischen Reflexen und Sigalateration der Densspitze. Seit der Grippeschutzimpfung habe sie mit Nackensteifigkeit, beginnenden Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen sowohl im Gesicht als auch in den Händen und im rechten Bein zu kämpfen. Sie leide nach wie vor täglich unter erheblichen Schmerzen mit brennendem oder stechenden Charakter. Derartige Nebenwirkungen seien im Beipackzettel des verwendeten Impfstoffes (Anl. K7 der arbeitsgerichtlichen Akte) erwähnt.
Die Beklagte hafte für den erlittenen Impfschaden, weil sie vor der Durchführung der Grippeschutzimpfung nicht über mögliche Folgeschäden aufgeklärt habe. Wäre das geschehen, hätte sie die angebotene Impfung im Betrieb nicht durchführen lassen. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei ihr nicht möglich, weswegen sie ein Interesse an der Feststellung habe, dass die Beklagte zum Ersatz des ihr entstandenen und noch entstehenden Schadens als Folge ...