Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Abwicklungsvertrages, welcher der Täuschung der Arbeitsverwaltung über den wahren Beendigungsgrund dient
Leitsatz (redaktionell)
Zwar erscheint eine vertragliche Regelung, welche dem Ziel dient, dem Arbeitnehmer Schwierigkeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld zu ersparen, nicht von vornherein als unzulässig. Von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden jedoch solche Absprachen, die ausschließlich darauf zielen, durch unrichtige Angaben einen unberechtigten Leistungsbezug zu ermöglichen.
Normenkette
BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 19.10.2005; Aktenzeichen 30 Ca 1770/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom19.10.2005 – Aktenzeichen 30 Ca 1770/05 – wird hiermit auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten.
Der am 15.12.1943 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ab 01.01.1992 beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt belief sich auf zuletzt Euro 3.170,00. Bei einem Grad der Behinderung von 50 % ist der Kläger anerkannter Schwerbehinderter. Seit 01.06.2005 bezieht er Altersruhegeld.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG.
Im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs vom 21.01.2004 wurde der Kläger vor dem Hintergrund einer aus Sicht der Beklagten überdurchschnittlich großen Menge an Ausschussware im Bereich der Metzgerei angewiesen, künftig Wurst- und Fleischwaren, auch soweit sie für nicht mehr veräußerlich erachtet würden, nur noch nach ausdrücklicher Zustimmung der Beklagten zu entsorgen. Für den Fall, dass hiergegen verstoßen würde, sei mit ernsthaften Sanktionen, nämlich der außerordentlichen Kündigung, zu rechnen.
Die erteilte Anweisung wurde in der Folge im Rahmen von mindestens drei Personalgesprächen nochmals angesprochen.
Anlässlich einer Kontrolle Mitte Mai 2004 stellte der Sohn der Beklagten, fest, dass 3 kg Rindfleisch gut verpackt ausgesondert worden waren. Hierauf wurde der Kläger zur Rede gestellt, wobei der Inhalt des Gesprächs, insbesondere die Einlassung des Klägers, zwischen den Parteien streitig ist. Ebenfalls streitig ist zwischen den Parteien, ob im Rahmen des Gesprächs Mitte Mai 2004 oder aber bereits im Dezember 2003 eine Taschenkontrolle beim Kläger durchgeführt worden war, bei deren Gelegenheit beim Kläger ein Spielzeugauto aufgefunden wurde. Unstreitig allerdings erklärte der Kläger auf Nachfrage, dass er dieses Auto bei der Konkurrenz erworben habe; tatsächlich handelte es sich um die Beigabe eines Lieferanten der Beklagten, die der Kläger entsprechend der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestehenden betrieblichen Übung mit nach Hause genommen hatte.
Am 17.01.2005 entdeckte Herr B. entweder in der Bio- oder aber in der Mülltonne Wurst- und Fleischreste. Die Zustimmung der Beklagten zur Aussonderung dieser Wurst- und Fleischreste war zuvor nicht eingeholt worden. Herr B. sprach den Kläger auf diesen Vorgang an; der Inhalt des zwischen den Gesprächspartnern geführten Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
Auch am 21.01.2005 stellte Herr B. fest, dass Wurst- und Fleischreste ohne Zustimmung der Beklagten ausgesondert worden waren.
Am 03.02.2005 schließlich entdeckte die Beklagte bei der Mitarbeiterin M. verpackte Suppenknochen. Der Kläger hatte diese Suppenknochen als verdorben angesehen und sie deshalb im Kühlraum zwecks Entsorgung ausgesondert. Der Anfrage der Frau M., ob diese die Knochen mitnehmen könne, hatte der Kläger zugestimmt.
Diesen Sachverhalt nahm die Beklagte zum Anlass, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 04.02.2005, das dem Kläger am selben Tage übergeben wurde, fristlos zu kündigen. Die Übergabe des Kündigungsschreibens erfolgte nach Durchführung eines Gesprächs, an dem neben dem Kläger und der Beklagten u.a. der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, die Substitutin und deren Ehemann teilnahmen. Im Rahmen des Gesprächs wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe sich eines Diebstahls strafbar gemacht; ob darüber hinaus auch mit der Erstattung einer Strafanzeige gedroht wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Am Montag, den 07.07.2005 rief daraufhin die Tochter des Klägers bei der Beklagten an, um nach den Hintergründen der Kündigung wie nach der Möglichkeit einer gütlichen Einigung, insbesondere einer Umwandlung der fristlosen in eine ordentliche Kündigung, zu fragen. Die Beklagte erklärte, generell könne sie sich das vorstellen, sie wolle sich jedoch zuvor mit ihrem Anwalt besprechen und werde sich dann wieder melden. Die Tochter des Klägers teilte daraufhin der Beklagten ihre geschäftliche Telefonnummer mit.
Am 08.02.2005 meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten telefonisch bei der Tochter des Klägers; zur Zeit des An...