Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung mangels Vorlage der Originalvollmacht. öffentlicher Dienst. Geschäftsverteilungsplan. Kündigungsbefugnis Verwaltungsreferent. unverzügliche Zurückweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Beamte im höheren Verwaltungsdienst des Regierungspräsidiums sind weder kraft Gesetzes zum Ausspruch privatrechtlicher Kündigungen befugt noch sind sie generell eine Stellung berufen, mit der die Kündigungsbefugnis verbunden ist.
2. Die bloße Existenz eines Geschäftsverteilungsplan über die Aufgaben- und Kompetenzverteilung innerhalb des Regierungspräsidiums genügt nicht, um die Arbeitnehmer über eine Bevollmächtigung der Bediensteten zum Ausspruch privat-rechtlicher Kündigungen in Kenntnis zu setzen. Dazu ist die Öffentliche Bekanntmachung des Geschäftsverteilungsplans erforderlich oder zumindest ein Hinweis auf den zur Verfügung gestellten Geschäftsverteilungsplan.
Normenkette
BGB § 174 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Villingen-Schwenningen – vom 22.07.2009 – 12 Ca 187/08 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um davon abhängige Vergütungsansprüche. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob der Kläger das Kündigungsschreiben mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurückweisen konnte.
Der 56-jährige Kläger ist seit 00.00.1981 als Lehrer bei dem beklagten Land angestellt. Er verdient zuletzt als Lehrer für Sport und Mathematik mit vollem Deputat am L.Gymnasium in R. monatlich 4.215,45 EUR zzgl. Jahressonderzahlung. Der Kläger war als Lehrer sehr engagiert und erfolgreich und von Kollegen, Schulleiter, Eltern und Schülern sehr geschätzt. Das Arbeitsverhältnis verlief bis April 2008 ohne Beanstandungen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-L Anwendung. Nach § 34 Abs. 2 TV-L ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen.
Der Kläger trainiert außerhalb des Arbeitsverhältnisses mehrere Fußballmannschaften im SV Z. In einer seiner Mannschaften spielte der Schüler A. W., der am 09.04.2008 in seiner Schule in S. die schriftliche Abiturprüfung im Fach Sport ablegte. Auf Bitten des Herrn W. kopierte der Kläger am Morgen des 09.04.2008 die Lösungshinweise für diese Prüfung und stellte sie Herrn W. zur Verfügung.
Am 22.04.2008 führte der Schulleiter des L-Gymnasiums Herr M. mit dem Kläger ein Gespräch über diesen Vorgang. Der Kläger räumte sein Fehlverhalten ein und zeigte sich schuldbewusst. Während des Gesprächs telefonierte Herr M. wegen der weiteren Vorgehensweise mit Herrn O. aus dem Regierungspräsidium. Dem Kläger wurde eröffnet, dass er wegen seines Verhaltens mit einer Kündigung rechnen müsse. Der Kläger hatte zuvor weder schriftlich noch (fern-)mündlich Kontakt zu Herrn O. gehabt. Aufgrund der Verdienste des Klägers bat der Schulleiter mit Schreiben vom 22.04.2008 das beklagte Land zu prüfen, „ob nicht ein anderes Maß der disziplinarischen Ahndung (als die avisierte Kündigung, d.Verf.) möglich sei” (Anlage B2, nach AS I/50). Auch die Elternbeiratsvorsitzende wandte sich an den Schulpräsident mit der Bitte, von einer fristlosen Kündigung des Klägers abzusehen (Anlage K8, AS 112 f).
Nach Anhörung des zuständigen Bezirkspersonalrats (Anlage B5, AS I/57 f) erklärte das beklagte Land mit Schreiben vom 25.04.2008 die streitgegenständliche außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Anlage K1, AS I/5). Der Briefkopf des Kündigungsschreibens lautet: „Baden-Württemberg, Regierungspräsidium F., Abteilung Schule und Bildung”. Es ist von Herrn H. O. unterzeichnet ohne Hinzufügung einer Amts- oder Funktionsbezeichnung. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 29.04.2008 zu.
In der letzten Aprilwoche führte der Kläger ein Beratungsgespräch mit einer strafrechtlich tätigen Rechtsanwältin. Der 01.05.2008 war ein Donnerstag; viele Berufstätige nahmen am 02.05.2008 als „Brückentag” frei.
Der Kläger ließ die Kündigung durch Herrn Rechtsanwalt J. mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurückweisen. Das Zurückweisungsschreiben ging am 06.05.2008 – ohne Originalvollmacht – per Fax beim Regierungspräsidium F. ein (Anlage K15, AS I/170). Ob das beklagte Land das Original – mit Originalvollmacht – am 06.05.2008 oder am 07.05.2008 erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Vom 07.05. bis 27.06.2008 wurde der Kläger auf einer Psychotherapiestation des Universitätsklinikums F. stationär behandelt.
Nachdem der Kläger am 09.03.2009 wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses strafrechtlich verurteilt worden war, sprach das beklagte Land am 16.03.2009 eine weitere außerordentliche Kündigung aus. Das Kündigungsschutzverfahren wegen dieser Kündigung (Az. 2 Ca 132/09 beim Arbeitsgericht Freiburg) ist ausgesetzt.
Die Schulaufsicht des beklagt...