Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollmacht. Kündigungsbefugnis. Zurückweisung. Schwarzes Brett. Niederlassungsleiter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vertreten zwei Personen den Arbeitgeber nach außen gemeinsam (Gesamtvertretung), dann ist auf jede dieser Personen § 174 BGB anwendbar. Ist der Arbeitnehmer bezüglich einer Person vom Vollmachtgeber nicht von dessen Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden, ist die Kündigung allein deswegen unwirksam, wenn der Arbeitnehmer wegen der mangelnden Vollmachtsvorlage die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen hat.

2. Ist in einem Unternehmen die Personalabteilung bei einem Konzernunternehmen konzentriert, dann kann für einen Niederlassungsleiter, dem 23 Arbeitnehmer unterstehen, nicht angenommen werden, dass er schon aufgrund seiner Stellung zur Kündigung berechtigt ist.

3. Ein Aushang über die Bevollmächtigung für Kündigungen am Schwarzen Brett ist nicht ohne weiteres ausreichend für das in Kenntnis setzen im Sinne des § 174 Satz 2 BGB (LAG Köln vom 03.05.2002 – 4 Sa 1285/01 – NZA RR 2003, 194; BAG vom 03.07.2003 – 2 AZR 235/02 – NZA 2004, 1547).

 

Normenkette

BGB § 174

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 18.01.2006; Aktenzeichen 14 Ca 21957/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18.1.2006 – 14 Ca 21957/05 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 21.9.2005 nicht aufgelöst worden ist.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 43 % und die Beklagten zu 57 % zu tragen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am … 1947 geborene geschiedene Kläger ist seit Juni 1968 bei der Beklagten als Baumaschinenvorarbeiter gegen ein Bruttomonatsentgelt von 3.200,00 EUR beschäftigt. Die Beklagte erbringt Baulogistikleistungen. In der Niederlassung Ost / Berlin wurden zuletzt 24 Arbeitnehmer beschäftigt. Zehn dieser Arbeitnehmer, nämlich sieben gewerbliche (u.a. der Kläger) und drei Angestellte, gehören zur so genannten Montagegruppe. Weder die Niederlassung noch die Beklagte verfügen über eine eigene Personalabteilung. Diese ist vielmehr zentral bei der Konzern-Holding, der H.-T AG gebildet. Die Holding besitzt fast keine eigenen Arbeitnehmer. Das dort gebildete Personalmanagementcenter wird als Dienstleister für die verschiedenen Baubetriebe der Holding tätig. Das Personalmanagement wird ähnlich einer GmbH geführt, aber ohne eine solche zu sein. Die beiden Leiter werden als Geschäftsführer bezeichnet. Das Personalmanagement ist in sieben Regionen aufgeteilt. Herr K. ist für alle Baubetriebe in der Region Berlin / Hamburg zuständig.

Mit dem Gesamtbetriebsrat wurden Interessenausgleichsverhandlungen geführt, u.a. zu einer Auflösung der Montagegruppe bei der Niederlassung Ost / Berlin. Diese Verhandlungen scheiterten in der Einigungsstelle am 02. September 2005. Nachdem eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur erstattet und der örtliche Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört worden war, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21. September 2005, das der Kläger am 23. September 2005 (Freitag) erhielt, das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2006. Unterschrieben war es vom Niederlassungsleiter, Herrn G., und Herrn K. mit dem Zusatz „Personalleiter”. Nach der Handlungsvollmacht vom 10. Mai 2004 (Kopie Bl. 25 d.A.) ist Herr K. „zusammen mit einem anderen Berechtigten zur Vertretung der Gesellschaft befugt (Gesamtvollmacht)”. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 27. September 2005 (Dienstag), das die Beklagte am selben Tag erhielt, wies der Kläger die Kündigung mangels Fehlens einer beigefügten Vollmacht gemäß § 174 BGB zurück.

Mit der am 12. Oktober 2005 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 19. Oktober 2005 zugestellten Klage hat der Kläger sich gegen diese Kündigung zur Wehr gesetzt. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei schon wegen § 174 BGB unwirksam. Der Niederlassungsleiter befinde sich nicht in einer Stellung, die zur Kündigung berechtige. Gleiches gelte für Herrn K., zumal dieser unstreitig nicht Arbeitnehmer der Beklagten sei. Ein Aushang am Schwarzen Brett aus Juli 2005 sei ihm nicht bekannt geworden. Derartige Aushänge seien zur Bekanntmachung von Kündigungsbefugnissen auch nicht geeignet, denn das Schwarze Brett werde für ganz unterschiedliche Mitteilungen benutzt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 21.09.2005 nicht aufgelöst worden ist;
  2. weiter festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist inaus weiter unverändert fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungssachverhalte aufgelöst worden ist;
  3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen;
  4. im Falle des Obsieg...

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