Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Schwarzes Brett. Vollmacht. Vollmachtsurkunde. Zurückweisung. Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB
Leitsatz (redaktionell)
Ein Aushang an einem Schwarzen Brett allein reicht regelmäßig nicht aus, die Arbeitnehmer nach § 174 S. 2 BGB von der Kündigungsberechtigung einer Person in Kenntnis zu setzen.
Normenkette
BGB § 174
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 19.03.2008; Aktenzeichen 10 Ca 1273/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.3.2008 – 10 Ca 1273/07 – wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.6.2007 aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist vom 19.6.2007 aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in ihrem Markt in Eschborn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Teamleiterin Kasse weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
- 512,81 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2007,
- 1052,19 EUR brutto abzüglich 460,24 EUR (Arbeitslosengeldzahlungen einschließlich hierfür abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2007,
- 2.789,08 EUR brutto abzüglich 1255,20 (Arbeitslosengeldzahlungen einschließlich hierfür abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2007,
- 2.789,08 EUR brutto abzüglich 1255,20 EUR (Arbeitslosengeldzahlungen einschließlich hierfür abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2007,
- 2.789,08 EUR brutto abzüglich 1255,20 EUR (Arbeitslosengeldzahlungen einschließlich hierfür abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2007
zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen sowie einer hilfsweise unter Einhaltung einer Auslauffrist ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens sowie (im vorliegenden Berufungsverfahren) Zahlung von Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.
Die am 25.09.1943 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 09.02.1981 bei der Beklagten in deren Einkaufsmarkt in Eschborn, zuletzt als „Teamleiterin Kasse” beschäftigt.
Mit Schreiben vom 19.06.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer Auslauffrist zum 31.07.2007. Das Kündigungsschreiben (Bl. 15 d.A.) ist wie folgt unterzeichnet:
„Z,-SB-Warenhaus GmbH
i.V. Y
– Geschäftsleiter –”
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.06.2007 hat die Klägerin die Kündigungen wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht zurückgewiesen.
Mit ihrer am 29.06.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise unter Einhaltung einer Auslauffrist ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist. Zugleich hat die Klägerin Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung sowie auf Zahlung rückständiger Arbeitsvergütung für den Monat Mai in Höhe von 512,81 Euro netto erhoben. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin darüber hinaus Arbeitsentgeltansprüche aus Annahmeverzug für den Zeitraum vom 20.06. bis einschließlich 30.09.2007 geltend gemacht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, die streitbefangenen Kündigungen seien bereits nach § 174 BGB unwirksam. Die Beklagte hat demgegenüber diesbezüglich geltend gemacht, die Klägerin könne sich nicht auf § 174 BGB berufen, denn ihr sei die Bevollmächtigung des Geschäftsleiters Y durch einen Aushang am Schwarzen Brett, welches sich am Personaleingang befinde, ausreichend zur Kenntnis gebracht worden. Außerdem sei davon auszugehen, dass Geschäftsleiter in Betrieben der vorliegenden Art grundsätzlich zum Ausspruch von Kündigungen befugt seien.
Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den ausführlichen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.03.2008 (Bl. 288 – 296 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung mehrerer Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme ...