Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwarzes Brett. Vollmacht. Vollmachtsurkunde. Vorlage. Zurückweisung. Unwirksamkeit einer Kündigung gemäß § 174 S. 1 BGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Beginn der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB wird nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt.
2. Ein Aushang an einem Schwarzen Brett allein reicht regelmäßig nicht aus, die Arbeitnehmer nach § 174 S. 2 BGB von der Kündigungsberechtigung einer Person in Kenntnis zu setzen.
Normenkette
BGB §§ 174, 626 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 19.03.2008; Aktenzeichen 10 Ca 1264/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.3.2008 – 10 Ca 1264/07 – wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.6.2007 aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.6.2007 aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in ihrem Markt in Eschborn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiterin Info/Kasse weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
- 339,52 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2007,
- 663,42 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2007,
- 1731,79 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2007,
- 1731,79 EUR brutto abzüglich 631,50 EUR (Arbeitslosengeldzahlungen einschließlich hierfür abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2007,
- 1731,79 EUR brutto abzüglich 631,50 EUR (Arbeitslosengeldzahlungen einschließlich hierfür abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2007
zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens sowie (im vorliegenden Berufungsverfahren) Zahlung von Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.
Die am 26.03.1966 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 29.04.1991 bei der Beklagten in deren Einkaufsmarkt in Eschborn, zuletzt als Mitarbeiterin Info/Kasse beschäftigt.
Mit Schreiben vom 19.06.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 31.01.2008. Das Kündigungsschreiben (Bl. 15 d.A.) ist wie folgt unterzeichnet:
” Z,-SB-Warenhaus GmbH
i.V. Y
– Geschäftsleiter –”
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.06.2007 hat die Klägerin die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht zurückgewiesen.
Mit ihrer am 28.06.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist. Zugleich hat die Klägerin Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung sowie auf Zahlung rückständiger Arbeitsvergütung für den Monat Mai in Höhe von 339,52 Euro netto erhoben. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin darüber hinaus Arbeitsentgeltansprüche aus Annahmeverzug für den Zeitraum vom 20.06. bis einschließlich 30.09.2007 geltend gemacht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, es liege kein Grund vor, der den Ausspruch einer ordentlichen oder gar einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen könne. Die streitbefangenen Kündigungen seien darüber hinaus auch nach § 174 BGB sowie infolge nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Bezüglich der außerordentlichen Kündigung habe die Beklagte auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt.
Die Beklagte hat demgegenüber im Wesentlichen u.a. geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei wegen der unerlaubten Mehrfachverwendung von Paybackgutscheinen durch die Klägerin gerechtfertigt. Die Klägerin habe die Richtigkeit des diesbezüglich ihr gegenüber erhobenen Vorwurfs bei ihrer Anhörung am 31.5.2007 auch zugestanden. Auf § 174 BGB könne sich die Klägerin nicht berufen, denn ihr sei die Bevollmächtigung des Geschäftsleiters Y durch einen Aushang am Schwarzen Brett, welches sich am Personaleingang befinde, ausreichend zur Kenntnis gebracht worden. Außerdem sei davon auszugehen, dass Geschäftsleiter in Betrieben ...