Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlungsgrundsatz. Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Belastungen
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, Poliere ohne sachlichen Grund aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten einer Ruhegeldordnung der Bauwirtschaft zu nehmen. In der Zeit vor dem 01.01.82 durfte der Arbeitgeber darauf vertrauen, dass die Differenzierung zwischen Polieren und Angestellten rechtmäßig ist.
Normenkette
BetrAVG § 1 Gleichbehandlung; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 22.09.1999; Aktenzeichen 30 Ca 3542/99) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom22.09.1999 (Az.: 30 Ca 3542/99) teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Betriebsrente gemäß der Ruhegeldordnung 1988 zu bezahlen bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.1982 bis zum 31.03.1998, beginnend mit dem 01.04.1998.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Ansprüche aus der „Ruhegeldordnung 1988” hat.
Der am 30.08.1940 geborene Kläger war beim beklagten Bauunternehmen zunächst vom 16.09.1960 bis zum 31.07.1980 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Mit seiner Beförderung zum Betonpolier am 01.08.1980 erfolgte die Übernahme in das Angestelltenverhältnis. Am 31.03.1998 schied der Kläger bei der Beklagten, wo er zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 6.287,– DM hatte, aus. Vom 10.12.1997 bis zum 31.08.2000 bezog der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seit dem 01.09.2000 erhält er die gesetzliche Altersrente.
Im Jahre 1962 wurde von der Beklagten der … gegründet, dessen Vorstand eine Versorgungsregelung u. a. zu Gunsten der Arbeitnehmer der Beklagten erließ. 1995 änderte der … seinen Namen und heißt seither … sagte dem Kläger auf der Basis seiner Versorgungsordnung eine monatliche Unterstützungszahlung in Höhe von 186,– DM ab dem 01.04.1998 zu.
Der Kläger ist jedoch der Auffassung, dass er zum Kreis der Versorgungsberechtigten der im Jahre 1988 als Betriebsvereinbarung in Kraft getretenen „Ruhegeldordnung 1988” gehöre und ihm hieraus erheblich höhere Betriebsrentenansprüche zustünden.
Ziffer 1 der „Ruhegeldordnung 1988” in der Fassung vom 20.12.1993 lautet folgendermaßen:
Kreis der Versorgungsberechtigten
Einen rechtsverbindlichen Anspruch auf die nachstehend genannten Versorgungsleistungen haben alle technischen und kaufmännischen Angestellten (nachstehend „Mitarbeiter” genannt) der … (nachstehend „Firma” genannt), soweit sie vor dem 01. Juli 1982 in die Firma eingetreten sind, das Dienstverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalles weiterbestanden hat und zu diesem Zeitpunkt die nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Für die technischen und kaufmännischen Angestellten, die ab dem 01. Juli 1982 in die Firma eingetreten sind, sowie für alle gewerblichen Arbeitnehmer, Poliere und Meister richtet sich die Versorgung nicht nach dieser Ruhegeldordnung sondern weiterhin nach den Bestimmungen der …
Das Arbeitsgericht hat mit dem am 22.09.1999 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Es ist zu der Auffassung gelangt, dass die zulässige Feststellungsklage nicht begründet sei, weil der Kläger nicht unter den Kreis der Versorgungsberechtigten gemäß Ziffer 1 der Ruhegeldordnung 1988 falle. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Ziffer 1 Satz 2 Ruhegeldordnung 1988 richte sich die Versorgung der Poliere nicht nach der Ruhegeldordnung 1988, sondern nach den Bestimmungen des … Dies gelte auch für die ins Angestelltenverhältnis übernommenen Poliere. Nach der Tradition der Tarifverträge des Baugewerbes unterfalle der Polier gerade nicht den Regelungen der technischen und kaufmännischen Angestellten, sondern tariflichen Sonderregelungen. Vor dem Hintergrund dieser Tariftradition und der Berücksichtigung des Wortlautes und der Systematik der in Ziffer 1 der Ruhegeldordnung 1988 getroffenen Regelung sei davon auszugehen, dass in Ziffer 1 Satz 1 Ruhegeldordnung 1988 ausschließlich die kaufmännischen und technischen Angestellten im Sinne der tariflichen Bestimmungen begünstigt werden sollten. Ein Anspruch des Klägers auf Versorgungsansprüche aus der Ruhegeldordnung 1988 ergebe sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da der Kläger eine sachfremde Schlechterstellung der Poliere gegenüber den technischen und kaufmännischen Angestellten nicht behauptet habe. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 4–6 des angefochtenen Urteils (Bl. 85–87 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.
Gegen dieses dem Kläger am 20.01.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.02.2000 vom Kläger eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.04.2000 ausgeführte Berufung.
Zur Begründung trägt...