Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Klagezulassung. Übergangsrecht. Unkenntnis von der Kündigung trotz bewiesenem Zugang
Leitsatz (amtlich)
1. Verfahrensänderung zum Antrag auf nachträgliche Zulassung einer verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage:
Die mit Wirkung ab dem 01.04.2008 geänderte Fassung von §§ 5 Abs. 4 des Kündigungsschutzgesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (Bundesgesetzblatt Seite 444) führt – wegen Fehlens einer übergangsregelung – nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechtes dazu, dass über eine Beschwerde, die vor dem 01.04.2008 eingelegt wurde, ab diesem Stichtag das Landesarbeitsgericht nunmehr durch Urteil zu entscheiden hat.
2. Zur Begründetheit eines Zulassungsantrages, der darauf gestätzt wird, dass trotz bewiesenem Zugang der Kündigung (Möglichkeit der Kenntnisnahme im Sinne von §§ 130 BGB) gleichwohl der Kündigungsempfänger tatsächlich keine rechtzeitige Kenntnis von dem Schreiben erlangt hat.
Normenkette
KSchG § 5 Abs. 4; BGB § 130
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Beschluss vom 31.10.2007; Aktenzeichen 4 Ca 141/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 09.11.2007 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 31.10.2007 – Az.: 4 Ca 141/07 – abgeändert.
2. Die Kündigungsschutzklage betreffend die Kündigung der Beklagten vom 15.02.2007 zum 31.03.2007 wird nachträglich zugelassen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 01.01.1964 geborene Kläger ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Er steht seit dem 20.09.1993 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt EUR 1.950,00.
Am 26.04.2005 erlitt er einen Arbeitsunfall und ist zumindest seit Herbst 2006 wegen Schulterschmerzen arbeitsunfähig krank geschrieben worden.
Am 14.02.2007 teilte ihm ein Betriebsratsmitglied telefonisch mit, dass die Beklagte beabsichtige, ihm zu kündigen.
Am 10.04.2007 erfuhr er über einen Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten, dass die Beklagte bereits am 25.02.2007 eine ordentliche Kündigung ausgesprochen und – nach deren Behauptung am gleichen Tage – per Kurier in seinen Briefkasten geworfen habe. Der Kläger hat daraufhin am 10.04.2007 Kündigungsschutzklage erhoben und einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der verspäteten Klage gestellt mit der Behauptung, ein Kündigungsschreiben nie erhalten zu haben. Trotz Belehrung und Ermahnung seiner Familienangehörigen am 14.02.2007 hätten diese täglich den Briefkasten geleert, aber ausschließlich eine Gehaltsabrechnung der Beklagten vorgefunden.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 31.10.2007 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss verwiesen. Gegen diesen am 08.11.2007 zugestellten Beschluss wehrt sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 09.11.2007.
Das Arbeitsgericht hat nach Verkündung des angegriffenen Beschlusses vom 31.10.2007 am 19.03.2008 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. und H. über die Behauptung der Beklagten, das Kündigungsschreiben sei noch am Ausstellungstag in den Briefkasten des Klägers geworfen worden, sowie durch Vernehmung der Zeuginnen M., M. und C. M. über die Behauptung des Klägers, diese seien mit Rücksicht auf das erwartete Kündigungsschreiben vom Kläger belehrt worden und sie hätten ein Kündigungsschreiben in der Zeit ab dem 15.02.2007 nicht im Briefkasten vorgefunden. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf Abl. 117ff verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist begründet.
a.
Die Beschwerde ist mit Wirkung ab dem 01.04.2008 so zu beurteilen, als handele es sich bei dem angegriffenen Beschluss vom 31.10.2007 um ein Zwischen-Urteil und bei der eingelegten Beschwerde um eine Berufung. Dies folgt aus der Änderung von § 5 Abs. 4 des Kündigungsschutzgesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (Bundesgesetzblatt S. 444ff).
Die mit Wirkung vom 01.04.2008 ohne Übergangsregelung in Kraft gesetzte Regelung hat folgenden Wortlaut:
„Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Falle ergeht die Entscheidung durch Zwischen-Urteil, die wir ein End-Urteil angefochten werden kann.”
Nach den herkömmlichen Grundsätzen eines „intertemporalen Prozessrechtes” ist daher über die Beschwerde nicht mehr durch Beschluss ohne mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden allein, sondern aufgrund mündlicher Verhandlung vor der Kammer durch Urteil zu entscheiden, es sei denn, die Parteien hätten sich, wie vorliegend g...