Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Zuspätkommen des Arbeitnehmers. Grundsätze des Anscheinsbeweises. wenn Arbeitnehmer seine Unpünktlichkeit mit „Verschlafen” rechtfertigt
Leitsatz (redaktionell)
1. Wiederholte Unpünktlichkeit des Arbeitsnehmers bewirkt eine Störung des Arbeitsverhältnisses und kann nach erfolgloser Abmahnung die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sozial rechtfertigen.
2. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises beruhen auf der Lebenserfahrung, wonach bestimmte Geschehensabläufe eine gleichbleibende Ursache haben. Steht ein Sachverhalt fest, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, so ist dieser regelmäßige Verlauf vorläufig als bewiesen anzusehen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; ZPO §§ 284, 286
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 18.06.2004; Aktenzeichen 26 Ca 1663/03) |
Tenor
1.Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – vom18.06.2004 (Az.: 26 Ca 1663/03) wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
2.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 26.06.2003 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zum 30.09.2003, die die Beklagte auf Gründe im Verhalten des Klägers stützt.
Der am 25.05.1967 geborene, verheiratete und gegenüber drei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Werk in B. Autositze für die Automobilindustrie herstellt und ca. 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, seit dem 30.03.1998 als gewerblicher Arbeitnehmer in der Fertigung zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von ca. 2.340,00 EUR beschäftigt. In diesem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.
Der Kläger arbeitete bis Oktober 2002 in der Frühschicht, die damals um 6.00 Uhr begann. Er arbeitete an einem Einzelarbeitsplatz in der Vormontage, wo er Autositze für die Firma P. fertigte. Diese Sitze werden auf kurzfristige Bestellungen „just-in-time” gefertigt und zweimal am Vormittag an die Firma P. ausgeliefert.
Seit März 2002 kam der Kläger sehr häufig zu spät zur Arbeit. Die Stempelzeiten wurden am Zeiterfassungsgerät wie folgt erfasst:
27.03. um 6.38 Uhr
10.04. um 6.00 Uhr
11.04. um 6.00 Uhr
12.04. um 6.16 Uhr
15.04. um 6.11 Uhr
16.04. um 6.00 Uhr
22.04. um 6.00 Uhr
02.05. um 6.30 Uhr
03.05. um 6.16 Uhr
08.05. um 6.27 Uhr
17.05. um 6.28 Uhr
21.05. um 6.15 Uhr
27.05. um 6.00 Uhr
Dabei sind die Parteien uneins, ob der Kläger vom Zeiterfassungsgerät bis zum Arbeitsplatz 30 Sekunden (Kläger) oder ca. 2 Minuten (Beklagte) benötigt. Aufgrund der vorgenannten Verspätungen erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung mit Schreiben vom 28.05.2002.
Auch in der Folgezeit erschien der Kläger zu spät zur Arbeit. Die Stempelzeiten waren am:
28.06. um 6.00 Uhr
26.08. um 6.00 Uhr
27.08. um 6.03 Uhr
29.08. um 6.45 Uhr
04.09. um 6.12 Uhr
09.09. um 6.00 Uhr
21.09. um 8.46 Uhr (Arbeitsbeginn am Samstag 8.00 Uhr)
25.09. um 6.02 Uhr
14.10. um 6.30 Uhr
16.10. um 6.13 Uhr
17.10. um 6.00 Uhr
23.10. um 6.48 Uhr
Aufgrund dieser Verspätungen erhielt der Kläger eine weitere Abmahnung mit Schreiben vom 24.10.2002. Seit diesem Zeitpunkt arbeitete der Kläger in der Wechselschicht, d.h. im wöchentlichen Wechsel von Frühschicht und Spätschicht. Ab diesem Zeitpunkt wurde dem Kläger auch die nächtliche Nebentätigkeit in einem Imbiss untersagt. Der Kläger stellte diese Nebentätigkeit auch ein. Mit Schreiben vom 20.03.2003 wurde der Kläger wegen einer Verspätung am 20.03.2003 abgemahnt. Der Kläger erschien statt um 6.10 Uhr erst um 07.11 Uhr zur Arbeit. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Grund für diese Verspätung ein Batterieschaden am PKW des Klägers war. Neben diesen Abmahnungen wurde der Kläger mit Schreiben vom 20.12.2002 und 01.04.2003 wegen Verstößen gegen die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit am 18.12.2002 bzw. 31.03.2003 abgemahnt.
Der Kläger erschien am 13.06.2003 erneut zu spät zur Arbeit. Er stempelte um 6.54 Uhr. Arbeitsbeginn war um 6.10 Uhr.
Aufgrund dieses Vorfalls hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 13.06.2003 zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat äußerte sich hierzu nicht.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat mit Schriftsatz vom 19.12.2003 vorgetragen, dass die Verspätung am 13.06.2003 darauf beruht habe, dass sein Sohn den Stecker des Weckers aus der Steckdose gezogen habe, so dass dieser morgens nicht geklingelt habe.
Die Verspätung habe er deshalb nicht verschuldet. Des Weiteren hat der Kläger behauptet, dass durch seine Verspätungen keine Störungen im Betriebsablauf der Beklagten eingetreten seien. Die Abmahnungen hätten auch Wirkung gezeigt. Nach der Abmahnung vom 24.10.2002 sei er nicht mehr schuldhaft zu spät zur Arbeit gekommen. Die bis zum Oktober 2002 aufgetretenen Verspätungen seien auf nächtliche Streitigkeiten mit der Ehefrau und auf die Tätigkeit im Imbiss zurückzuführen gewesen. Die Nebentätigkeit habe er im Oktober 2002 aufgegeben. Der Ehefrieden se...