Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten. Entscheidung des Arbeitgebers über die Gewährung einer Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten nach § 16 Abs. 5 TV-L zu gewähren, ist nicht am Maßstab des billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB zu messen. Der Arbeitgeber kann nach freien Ermessen entscheiden, ob und in welcher Höhe er die Zulage gewährt.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 1; TV-L § 16 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG S. (Entscheidung vom 18.01.2012; Aktenzeichen 22 Ca 5168/11) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts S. vom 18.01.2012 - 22 Ca 5168/11- wird zurückgewiesen.
2.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin eine Zulage nach § 16 Abs. 5 Satz 2 TV-L zu gewähren.
Die Klägerin ist seit 1. März 1985 als Justizangestellte beim beklagten Land beschäftigt. Derzeit ist sie als stellvertretende Leiterin der Datenerfassungsstelle und Systemverwaltung in der M.abteilung des AS tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 9 Stufe 4 (Endstufe) eingruppiert.
Die Klägerin wohnt und arbeitet in S. Zum Ausgleich der im Raum S. höheren Lebenshaltungskosten beantragte sie mit Schreiben vom 29. April 2009, ihr eine Zulage nach § 16 Abs. 3 (richtig: Abs. 5) Satz 2 TV-L zu gewähren. § 16 Abs. 5 TV-L hat folgenden Wortlaut:
"(5)
Zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs, zur Bindung von qualifizierten Fachkräften oder zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten kann Beschäftigten abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewährt werden. Beschäftigte mit einem Entgelt der Endstufe können bis zu 20 v. H. der Stufe 2 zusätzlich erhalten. Die Zulage kann befristet werden. Sie ist auch als befristete Zulage widerruflich."
Das Oberlandesgericht S. legte den Antrag daraufhin im Hinblick auf die Durchführungshinweise des Finanzministeriums Baden-Württemberg zu § 16 Abs. 5 TV-L dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (im Folgenden: MFW) vor. Die Durchführungshinweise zu § 16 Abs. 5 TV-L lauten unter Ziff. 5 auszugsweise wie folgt:
"§ 16 Abs. 5 eröffnet die Möglichkeit, sowohl den vorhandenen (Arbeitnehmern) als auch bei Neueinstellungen abweichend von der tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Einstufung ein höheres Entgelt zu zahlen, wenn dies
- aus Gründen der regionalen Differenzierung,
- zur Deckung der Personalbedarfs,
- zur Bindung von qualifizierten Fachkräften oder
- zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten.
erforderlich ist.
Bis auf Weiteres darf eine Zulage nach § 16 Abs. 5 nur bei Neueinstellungen und höchstens bis zum Erreichen der Endstufe (vgl. § 16 Abs. 5 Satz 1) bewilligt werden, wenn und soweit dies zur Deckung des Personalbedarfs zwingend erforderlich ist; die Endstufe darf hierdurch nicht überschritten werden. Hinw.Nr. 2.6.2 gilt entsprechend. Dies gilt insbesondere für die Dokumentationspflicht und die jährliche Mitteilung an das Finanzministerium. Im Übrigen darf von § 16 Abs. 5 bis auf Weiteres nur mit Zustimmung des Finanzministeriums Gebrauch gemacht werden. Abweichende allgemeine Ermächtigungen für einzelne Bereiche, soweit diese eine weitergehende Anwendung der tariflichen Regelungen vorsehen, bleiben unberührt."
Mit Schreiben vom 5. August 2009 teilte das Oberlandesgericht S. der Klägerin mit, dass die Lebenshaltungskosten in S. zweifelsohne höher seien als in anderen Städten oder im ländlichen Bereich. Bei der Interessenabwägung sei jedoch als entscheidender Faktor die äußerst angespannte Haushaltslage zu berücksichtigen, die Sparanstrengungen unvermeidlich mache. Das Justizministerium sehe daher keine Möglichkeit, dass nach § 16 Abs. 5 TV-L zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten ein höheres Entgelt gewährt werden könne.
Mit Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 11. April 2011 machte die Klägerin erneut die Gewährung einer Zulage nach § 16 Abs. 5 TV-L geltend. Hierauf reagierte das Oberlandesgericht nicht. Nach dem Vorbringen des beklagten Landes ging das Schreiben dem Oberlandesgericht nicht zu.
Mit ihrer am 21. Juni 2011 eingegangenen Klage hat die Klägerin die Gewährung einer monatlichen Zulage nach § 16 Abs. 5 TV-L in Höhe von € 472,00 ab dem 1. Mai 2009 begehrt. Sie hat vorgetragen, ihr stehe ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB zu. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen. Die von dem beklagten Land getroffene Entscheidung entspreche nicht billigem Ermessen, da ...